Die Magie des Funktionierens

F. Malik am Freitag, 24.07.2009 um 15:33 Uhr
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Ein gebrochener Arm nach einem Unfall, oder ein paar Wochen an Krücken gehen müssen – plötzlich wird einem bewusst, wie sehr man darauf angewiesen ist, dass alles funktioniert. Das Wunder des Funktionierens zeigt sich erst, wenn etwas nicht mehr funktioniert, dann aber umso drastischer. Auf einen Schlag sind Systeme ausser Kontrolle, deren Komplexität man vorher souverän und ohne Nachzudenken meistern konnte.

Solange aber wenigstens das Funktionieren selbst noch funktioniert, können wir uns an solche Situationen neu anpassen, oft sogar erstaunlich schnell. Der gesunde Arm kann z. B. die Aufgaben des verletzten teilweise übernehmen. Das Funktionieren des Funktionierens selbst steckt in den Nervensystemen und Hirnen von Lebewesen. Denn diese steuern die Anpassungsvorgänge an neue Situationen. Für Organisationen sind sind es deren Management-Systeme, also die Mechanismen, mit denen Organisationen gelenkt und gestaltet  werden.

Sobald aber die Steuerungssysteme versagen, sind nicht nur bisherige Funktionen, wie  die Gebrauchsfähigkeit des Armes gestört, sondern die Grundlagen für das Funktionieren selbst  brechen zusammen. Die Anpassungsfähigkeit als solche versagt, nicht nur die konkrete Anpassung an die aktuelle Situation. Damit bricht die Fähigkeit zusammen, Komplexität zu meistern. Dies ist ein wesentlicher, bisher so gut wie unbeachteter  Grund für das Entstehen der Krise und die immensen Schwierigkeiten sie zu bewältigen.

Funktionieren ist alles. Es ist eine beinahe magische Erfahrung, wenn man spürt und sich auch noch darauf verlassen kann, dass man selbst und die Welt um einen herum funktionieren. Funktionieren ist Flow – aber ohne Kater. Funktionieren ist magisch, aber kein Rausch. Funktionieren ist richtiges Management. Die Wissenschaft davon heisst Kybernetik.

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2 Kommentare

  1. Conny Dethloff

    Sehr geehrter Herr Malik,

    ich bin seit dem Jahre 2006 auf meiner persönlichen Reise, der Reise des Verstehens, die Vorkommnisse in der Wirtschaft zu verinnerlichen. Sie haben mir am Anfang dieser Reise den Weg geebnet. Dafür einen herzlichen Dank.

    Allerdings bin ich im Laufe der Zeit mehr und mehr zu der Auffassung gekommen, dass Komplexität niemals beherrschbar, sondern bestenfalls handhabbar ist. Hier gehen unsere Vorstellungen wohl auseinander. Das kann man vor allem an der Definition der Komplexität, so wie ich sie verstehe, einsehen:

    Eine Situation ist ist je komplexer, desto größer die Anzahl der Zustände sind, die diese Situation in der Zukunft annehmen könnte.

    Ähnlich definieren Sie Komplexität doch auch. Oder verstehe ich Sie da falsch? Wenn ich nun eine komplexe Situation beherrschen würde, hieße das, das meine Handlungsoptionen größer sind als die der komplexen Situation. Das ist aus meiner Sicht nicht denkbar.

    Details zu meinen Ideen habe ich in meinem Logbuch der Reise des Verstehens verfasst: http://blog-conny-dethloff.de/?p=1046

    Beste und Denkerische Grüße,
    Conny Dethloff

    • Fredmund Malik

      Frau Dethloff, Glückwunsch zu Ihrer Verstehens-Reise. Ihre Richtung stimmt, und wenn ich Ihnen dabei helfen konnte /kann, dann freut mich das.
      Ihren Blog konnte ich erst anschauen, aber noch nicht lesen.
      Ihre Semantik ist ok, ich selbst verwende das Wort „beherrschen“ nur selten. Per definitionem hat die Aussenwelt bzw. „mein System“ immer eine höhere Varietät als ich selbst haben kann. Dennoch kann ich erfolgreich mit Komplexität umgehen, indem ich Systeme so organisiere, dass diese sich
      selbst organisieren können. Die Selbstkonzepte, wie ich sie nenne, v. a. sich selbst regulieren und sich selbst organisieren, gehören zu den wichtigen Strategien des erfolgreichen Umgehens mit Komplexiät.
      Über diese kurzen Bemerkungen hinaus finden Sie näheres in meinen Büchern, insbesondere deren drei:
      Strategie des Managements komplexer Systeme, 10. A, 2008;
      Unternehmenspolitik und Corporate Governance: Wie Organisationen sich selbst organisieren; 2008
      Strategie: Navigieren in der Komplexität der Neuen Welt, 2011