Erst im grossen Kontext wird die Krise klar

F. Malik am Samstag, 18.12.2010 um 13:26 Uhr
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Das Verstehen der aktuellen Wirtschaftslage ist ohne Kenntnis der grossen historischen Zusammenhänge nicht möglich. Dafür muss man etwa die letzten 200 Jahre überblicken und die Krisen kennen, die darin vorgekommen sind. Erst dann wird sichtbar, warum wir keine gewöhnliche Krise haben, sondern einen grossen Zeitenumbruch, der weit über eine Wirtschaftskrise hinausgeht. Erst in diesem grossen Zusammenhang wird die Bedeutung aktueller Ereignisse erkennbar, und warum keine Inflation, sondern eine Deflation bevorsteht. Erst dann kann man die relevanten Indikatoren überhaupt auswählen, mit denen zutreffende Beurteilungen möglich sind. Die herkömmliche ökonomische Sichtweise greift für das Verstehen der Krise zu kurz.

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15 Kommentare

  1. Gero Schieder

    Sehr geehrter Herr Prof. Malik,

    Ihre Einschätzungen zur aktuellen wirtschaftlichen Lage und zur weiteren Entwicklung sind für mich gut nachvollziehbar. Ich frage mich natürlich, wie wir als mittelständisches Handelsunternehmen aus der „Realwirtschaft“ uns am besten auf die bevorstehenden Dinge vorbereiten sollen. Wir erleben mal wieder, wie „von Außen“ durchaus spekulationsbedingt Turbulenzen in unser wirtschaftliches Umfeld gebracht werden, die wir nur schwer in ihren Folgen einschätzen können. Wagen Sie eine Prognose, wann die Deflation offen und wirksam in Erscheinung treten wird?

    Mit freundlichen Grüßen
    Gero Schieder

    • Fredmund Malik

      Das erste deutliche Signal werden Einbrüche an den Aktienmärkten sein. Diese können jederzeit beginnen. Gewöhnlich ist es während der Feiertage aber eher ruhig an den Börsen. Verlassen kann man sich darauf aber nicht.
      Viel wichtiger ist es aber, seine Managementsysteme auf „schweres Wetter“ einzurichten. Herkömmliches Management wird in der bevorstehenden Phase auch im Mittelstand nicht mehr genügen.

      • Gero Schieder

        Sehr geeehrter Herr Prof. Malik,

        vielen Dank für Ihren Hinweis auf die Aktienmärkte. Die werden wir mal etwas intensiver beobachten. Spannend ist die Frage, wie man mittelständische Unternehmen wetterfester macht. Teil 1 der aktuellen Krise hat uns schon ein paar Hinweise gegeben: Stärkung der EK-Quote, Pflege des Ratings, Reduzierung von Risiken aus Lagerbeständen. Allerdings würde ich unser Management noch als „herkömmlich“ bezeichnen. Auch nach Stöbern auf Ihrer Web-Seite ist mir noch nicht klar geworden, wie man das Management eines mittelständischen Familienunternehmens von „herkömmlich“ in irgendetwas „Neues/Besseres“ transformieren kann. Wir beschäftigen uns intensiv mit Ihrem Buch „Führen Leisten Leben“, aber ich denke, es wird nicht reichen, sich nur den einen oder anderen Punkt als guten Vorsatz für das neue Jahr zu Herzen zu nehmen.

        Beste Grüße – Gero Schieder

        • Fredmund Malik

          Anfangs Januar kommt mein neues Buch über Strategie in den Buchhandel. Dort finden Sie viele Neue Welt – Lösungen, darunter auch unsere neuesten Methoden. Je nach Grösse Ihrer Firma würde sich wohl am besten unser sogenanntes „Solutions-Camp“ eignen. Es dauert 5 – 8 Tage. Danach haben Sie Ihre wichtigsten Fragen gelöst.

  2. Günther Czerkus

    Guten Tag Herr Prof. Malik,
    wenn Sie bei beginnender Deflation die Wahl hätten, sich mehr in Richtung Produktion von Nahrungsmitteln oder in Richtung öffentliche Dienstleistungen zu entwickeln, was würden Sie tun?
    Wie schätzen Sie die Verläßlichkeit öffentlicher Auftraggeber für Dienstleistungen in den Bereichen Umwelt, Naturschutz, Biodiversität ein?
    Werden die Nationalstaaten und die EU bei fortschreitender Verschuldung und steigenden sozialen Problemen überhaupt noch Kapazitäten für diese Themen haben oder ist das dann nur noch Luxus?
    Was passiert in einem großen Umbruch mit den zarten Versuchen, nachhaltiger mit der Welt umzugehen?
    Vielen Dank für diesen Blog und schöne Feiertage
    Günther Czerkus

    • Fredmund Malik

      Eher öffentliche Dienstleistungen, denn Nahrungsmittelkapazität ist in den entwickelten Ländern im Überfluss vorhanden. Die Verlässlichkeit öffentlicher Auftraggeber hängt stark von der Art der Dienstleistung ab. Solange die überholten Denkweisen des vorigen Jahrhunderts weiterhin angewand werden, sind die grossen Vorsätze und Pläne im Öko-Bereich Rückstufungskandidaten. Es wäre aber ganz leicht, beides miteinander zu verbinden: den Ausweg aus der Krise und die Öko-Bedürfnisse. Dafür braucht es aber neue Tools.

      • Günther Czerkus

        Vielen Dank für die schnelle Antwort Herr Prof. Malik.
        Das Angebot für die öffentliche Hand sieht eine deutliche Verbesserung des biotischen und des abiotischen Ressourcenschutzes vor.
        Gleichzeit und als notwendiger Bestandteil ist eine drastische Vereinfachung der Verwaltungsabläufe Bestandteil des Konzeptes. Das führt nicht nur zu wesentlich mehr Effizienz im gesamten Ablauf, sondern auch zu erheblichen Kosteneinsparung bei den öffentlichen Haushalten.
        Es gibt erste, sehr fruchtbare Gespräche unter Einbeziehung aller Entscheidungsebenen und der Praktiker.
        Welche Tools können diesen Weg erleichtern?

        Gesundheit, Schaffenskraft und Lebenslust für das nächste Jahr
        Günther Czerkus

        • Fredmund Malik

          Schreiben Sie mir die Eck-Daten Ihrer Firma, dann kann ich Ihnen vielleicht mehr dazu sagen.

  3. Vesna Sasic

    Reading the statement of Hardin (1968 p. 1,244) cited in E. Ostrom „Governing the commons: the evolution of institutions for collective action“
    “Each man is locked into a system that compels him to increase his herd without limit – in a world that is limited. Ruin is the destination toward all men rush, each perusing his own best interest in a society that believes in the freedom of the commons.”
    I wonder if Hardin is making a failure:
    Doesn’t this “unlimited” end in a moment a herder is forced to share because the herd is getting to large for him. Having a heard which is bigger than his own need and thus bigger than his own capability to manage it, he is forced to look for and work with a „helper“. The tragedy starts at the point thevherder is, as an owner, asked to share his chattels and gain without having the real capability to define objectively the contribution of the others.
    I’m an aficionado economist who hasn’t read a lot of similar thus my question and a way of thinking are simple perhaps. Thus I would, if you don’t mind, supportung your thesis about a need of a „Zeitumbruch“ = turnaround and trusting your knowledge, experience and world open view appreciate your opinion.

    • Fredmund Malik

      Thank you. Your basic principle is right except that „own need“ in todays world does not correspond with „own capability to manage“. Todays capability to manage in the developed countries is much larger than „own need“, which in turn is part of the problem as long as governing organs in all kinds of organisations keep on using outdated management thinking and tools, i. e. those of last century. However, you will find new thinking and new tools on our homepage. Those amplify the fortitude of governing exponentially which is desirable in so far those organs keep to constitutional law.

      • Vesna Sasic

        „Today’s capability to manage … is much larger than“ need for (it)- could that be an answer? I wonder that we still tend to develop our management capabilities where managing of natural resources, mental force is only one of, is getting more and more the task. Couldn’t we dedicate our efforts and work to this question and jump forward, instead only to move?
        I would like to contribute to that idea and the company that will find a mean to keep employee’s fluctuation at a level that ISO, f.e., demands on people who work in manufacturing, which is in ppm-s sir, not in percentages. Me myself is a kind of privileged engineer…
        Do you think that it is possible? What is, that we need more to accomplish and fulfill it? What is that will change the outdated management thinking of these governing organs? If today’s capability to manage in the developed countries is as large as I would believe it too, sir, it should be.
        P.S.
        I apologize for the very late respond. The fact that in your blog page we are asked for the e-mail address, directed me to the wrong assumption. I presumed, that we will be informed by an e-mail about your answer.

        • Fredmund Malik

          Our capability ot manage is larger, you are right. However, this capability is outdated, helpless and disoriented under the conditions of todays growing complexity. In fact this capability has turned into a destructive force and the troubles in the financial system is just one of the indicators.
          This is one of the reasons why I have been developing my wholstic management systems including the proper tools and methods. They are beeing applied with growing frequency and effectiveness by pioneers which have understood what I call „The Great Transformation 21“.

  4. Peter Krauss

    Einigkeit besteht, das wir wohl am Ende eines Kredit- und Währungszykluses und am Beginn eines neuen „Zeitalters“ mit neuartigem „Bedingungs-/Regelwerk“ stehen. Derartige Übergangsphasen verlaufen i.d.R nicht adhoc und smooth, sondern über Jahre erratisch, recht turbulent und risikoreich.

    Es haben sich u.E.n. – lassen wir die Publikationen der mainstream-Medien und die Publikationen der polit. Verantwortungsträger aussen vor – zwei wesentliche Argumentationslinien zur Einschätzung der möglichen ökonomische Weiterentwicklung für die nächsten 1 – 5 Jahre herausgebildet:

    A) Die Verfechter des (Depressions-) Deflationsszenarios argumentieren mit folgender Wirkungskette:
    – die credit driven economy der letzten Jahrzehnte, verbunden mit massiven Eingriffen (z.B. durch Politik und Zentralbanken) in die Märkte führte zu einer massiven Ausweitung
    der Kreditaufnahme der volkswirtschaftlichen Aggregate in den Industrieländern – die nun zu deren, wie auch zur Überschuldung der Staaten (z.B. zuvorderst durch Rettung von
    Banken, weitere Konjunkturprogramme, Einlösung von Bürgschaften) führte rsp. führen wird.- fallende Preise der finanzierten Wirtschaftsgüter und Assets (Aktien, Immobilien,
    Beteiligungen) setzen die Kreditnehmer mit Nachschuß- und Nachbesicherungspflichten und mit weiteren Beweisen derer Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit massiv unter Druck – der daraus entstehende Liquiditätsbedarf zur (Teil-) Tilgung der
    Kreditverpflichtungen führt zu (Zwangs-) Verkäufen, die die Asset-/Wirtschaftsgüterpreise erneut reduzieren – die Kreditkonditionen verschlechtern sich weiter, was über Sparzwang und höheren Aufwendungen zu geringerer verfügbarer Liquidität z.B. für investitionen führt, etc. etc..

    B) Die Verfechter des (Hyper-) InflationsSzenarios orientieren sich u.a. auch an der österreich. Schule mit der Doppelwirkung von Hyperinflation und folgender Deflation bei vorangehendem liquiditätsinduziertem crack up boom . Ergo einer forcierten Wandlung von Nominalvermögen (z.B. Anleihen, Lebensversicherungen, Anwartschaften) und (ungedeckten Papier-) Geld in in Sachwerte (wie beispw. in Aktien, Immobilien, Rohstoffe, Edelmetalle). Deren Wirkungskette in Stichpunkten: künstliches Niedrighalten des Zinsniveaus durch Kauf von Staatsanleihen – ansteigende Geldbasis M1_M2 – zunehmender Vertrauensverlust in die Wertaufbewahrungsfunktion des (ungedeckten Papier-)
    Geldes – die Umlaufgeschwindigkeit steigt an – Anstieg von Preisen, (importierter) Inflation und Zinsen – abschwächendes Wirtschaftswachstum reduziert die Solvenz der Staaten und verlangt nach höheren Risikoaufschlägen – usw., usw.,

    Gerne würde ich Ihre Einschätzungen kennenlernen zu folgenden Fragestellungen:
    Frage_1: unter welchen Umständen wäre das zweite Szenario (Hyperinflation) für Sie denkbar?
    Frage_2: Da die Industriestaaten keine geschlossene Volkswirtschaften sind, welchen Einfluß haben die emerging markets, Schwellenländer, fronties (mit einem Bevölkerungsanteil von 80% und einen Welt BIP Anteil von ca 50 % auf die oben geschilderten Prozesse in den old economies?
    Frage_3:In solchen Übergangsphasen kommt es zudem zu Macht- und Vermögensverlagerungen. Sind Gewalttätigkeiten zu erwarten? Wenn ja – in welchem Ausmaß?

    Vielen Dank für diesen Austausch.

    • Fredmund Malik

      Zu Frage 1) Die Hyperinflation Ihres B-Falles liegt hinter uns. Sie begann 1982 bei Dow Jones 1000. Seither wurde Nominalvermögen in Sachwerte gesteuert. Daher Aktien Bullmarkets, Real Estate etc. – weitestgehend mit non-selfliquidating credit finanziert. Als Folge dessen läuft nun Fall A – wahrscheinlich für die kommenden 3 – 5 Jahre, falls weiterhin die herkömmlichen Denkweisen angewandt werden.
      Zu Frage 2) Hier müsste stärker differenziert werden, als ein Blog ermöglicht. Den meisten EMs werden wichtige Absatzmärkte wegbrechen. Die Folgen sind programmiert. Am besten scheint sich China neu zu orientieren: Stärkung des Binnenmarktes; Förderung der noch unterentwickelten Regionen, Investieren in internationale Rohstoff-Vorkommen, Industrieunternehmen und Banken, sowie Aufkauf von westlichen Staatsobligationen mit den durch Export verdienten Dollarguthaben, bevor diese von den USA nicht mehr eingelöst werden. China könnte vielleicht schon in wenigen Monaten wegen der Deflation zu weit niedrigeren Preisen und zu höheren Dollarkursen kaufen. Aber das ist nicht so wesentlich. Ein grosse Herausforderung wird jedoch das richtige Management dieser Investitionen sein.
      Zu Frage 3) Gewalt nimmt zu, detto Desintegration, Ausgrenzung, Ausschliessung, autoritäre Machtanmassung, die herkömmlichen Verfahren der Demokratie stossen an tw. unüberwindbare Grenzen, Gewalt gegen postulierte Sündenbock-Gruppen, wie „Hochfinanz, Profiteure, Abzocker“ etc., partielle soziale Ächtung, aber auch Lynch-Justiz.

      • Peter Krauss

        Vielen Dank für Ihre Einschätzungen und Ausführungen, sehr geehrter Herr Malik. Das Deflationsszenario steht. Die Frage ist die unmittelbare weitere Entwicklung: straight on oder eine temporäre Schleife i.S.e. eines crack up booms gem. den Arbeiten von Hayek und v. Mises. Hinweise dafür liessen sich ja finden: die politischen Entscheidungsträger sind pro Inflation eingestellt und somit im traditionellen Denken verhaftet; QE2 haben wir gesehen, somit sind QE 3 ff nicht grundsätzlich auszuschließen; die Staatsveschuldungen werden weiter ausgebaut, die Abwertungen der Kernwährungen in Verbindung mit steigenden Rohstoffpreisen indicieren eine importierte Inflation, der CPI wird durch Ausblendung von Nahrungsmittel- und Energiepreise noch niedrig gehalten, ist aber tatsächlich wohl zwischen 5 – 10 % anzusiedeln.

        Wenn das deflatorische „Finale“ klar ist, wäre die Anlagestrategie im Grunde auch klar: Nominalwerte wie Bargeld und erstklassische Staatsanleihen.

        Nur haben wir hier auch eine ganze Reihe von Fragezeichen – blickt man auf die bisherigen Kernregionen von EU/JP, UK und USA: – ist hier die Wertaufbeahrungsfunktion des aktuellen Geldes noch und unter allen Umständen gegeben und dies unter der Berücksichtigung des Systems des ungedeckten Papiergeldes?; – es stellt sich die Frage nach der Solidität und Solvenz von Staaten im Kontext der Zins- und Kreditmärkte? – es stellt sich dann auch die Frage nach politischer Stabililtät in Zeiten wirtschaftlicher Stürme.

        Welche Nominalwerte auserhalb der bisherigen Kernregionen können in diesem Umfeld eine Wertaufbewahrungsfunktion entwicklen und in den skizzierten Zeiten einen Zugriff aus den bisherigen Kernregionen heraus zulassen? Und gäbe es hierfür hinreichende Aufnahmekapazitäten?