Griechenland

F. Malik am Montag, 19.09.2011 um 23:55 Uhr
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Diesen Eintrag schreibe ich aus Athen, mit der Akropolis vor dem Hotelfenster. Ich war heute an einer hochrangig besetzten Wirtschafts-Tagung. Es war bedrückend, wie das krasse Alte Welt-Denken der meisten Ökonomen einerseits, und die Orientierungslosigkeit und Ohnmacht griechischer Wirtschaftsvertreter gegeneinander standen.

Tragisch war, dass in den vielen Stunden nicht ein einziges Mal neue Methoden und Tools erwähnt wurden. Massnahmen, Forderungen und Prognosen reichlich – aber kein Wort dazu, wie man das Umsetzen bewerkstelligen soll.

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25 Kommentare

  1. Uwe Massenberg

    Sehr geehrter Herr Malik,

    man scheint nicht genug zu wissen und/oder sich nicht zu trauen. Noch scheint das Risiko, das Neue zu wagen, höher als die alten „bewährten“ Verfahren weiter zu nutzen. Die einen meinen zu wissen, was richtig ist und die anderen sind eher ratlos. In wie weit spielen hier noch Machtinteressen mit oder ist das vielleicht sogar das Hauptproblem?

    Konnten Sie auf dieser Tagung einen Beitrag aus Ihrer Sicht leisten ?? Wenn ja: Wie waren die Reaktionen?

    Mit freundlichen Grüßen

    Uwe Massenberg

  2. Jürgen Kusche

    Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Denn solange nicht die Mächstigsten von neuen Methoden, wie z. B. Ihrer SuperSyntegration, überzeugt werden können, solange wird wohl bis in die obersten Reihen hinein hin- und hergestritten und zwar ohne zu schnellen und vor allem wirkungsvollen Maßnahmen zu kommen. Ihre Methode,die ich zwar selber nicht genau kenne, bedeutet sicher für die jeweils Mächtigsten im Verfahren, Macht- und Meinungsabgabe und wer von diesen ist dazu denn schon gerne bereit.

    • Stefan Ludwig

      Hallo Herr Kusche,

      ich habe selbst noch nicht an einer Syntegration teilgenommen. Was ich bis jetzt darüber gelesen habe, ermöglicht die Syntegration erstaunliches:

      – Es entsteht bei allen Teilnehmern der gleiche Wissensstand.

      – Unterschiedliche Meinungen und Standpunkte konvergieren zu einer gemeinsamen Vision.

      – Es herrscht am Ende unter allen Teilnehmern große Einigkeit „Das ist genial ! So machen wir es!“

      – Das „So“ ist ein sehr konkret ausformliertes Maßnahmenbündel.

      Was die Machtfrage angeht ein Vergleich:

      Das menschliche Gehirn IST die „Machtzentrale“ des menschlichen Organismus. Er kann sehr weitgehende „Befehle“ erteilen. Bis hin zur eigenen Vernichtung. Die Steuerungsstruktur ist aber weitgehend selbstorganisierend und selbstregulierend. Kein Mensch muß einen bewußten Gedanken darauf verschwenden seinen Blutzuckerspiegel zu regulieren. Das machen dem Gehirn untergeordnete Regelkreise selbständig.

      Die Mächtigen setzen nach wie vor die Rahmenbedingungen so weit das innerhalb des jeweiligen Systems gemacht werden kann wenn man die systemischen Gesetzmäßigkeiten beachtet. Die Details werden werden in der immer noch vorhandenen Hierarchie weiter unten geregelt.

      • Fredmund Malik

        Eine kleine Ergänzung: Bei den TNs entsteht nicht nur der gleiche Wissensstand, was schon sehr viel wäre, sondern ein wesentlich grösserer, weil sich das Wissen in 40 Köpfen vielfältig vernetzt und assoziiert, wieder zurückkoppelt und immer wieder Neues kreiert wird. Hier ist u. a. das Naturgesetz der Vernetzung am Werk.
        Jeder weiss, dass wenn H und O – eben richtig – vernetzt werden, dann Wasser entsteht. Ok. Aber längst nicht alle sind sich bewusst, dass Wasser vollständig neue Eigenschaften hat, die weder in H noch in O vorkommen.
        Nehmen Sie nun per analogam statt zwei relativ einfachen Molekülen 42 hochkomplexe „Moleküle“, die für 3 1/2 Tage in immer wieder neuen Konstellationen vernetzt werden … Ein Power-Haus der Intelligenz- und Kreativitätsverstärkung. Danke für die Gelegenheit, das darzustellen.

  3. Jörg Beier

    Ein gestriges Telefonat mit einer alten Freundin in Athen brauchte die Griechenlandkrise und die Unmöglichkeit einer Lösung mit jetzigen Mitteln auf den Punkt. 2006 Verdienst 2000 Euro netto, Staatsangestellte. 2008 Kauf einer ETW für 200 t Euro, 40 t EK, Kreditbelastung 600 Euro für 15 Jahre. 2011 Gehaltskürzung auf 1200 Euro, gleiche Kreditbelastung, Wohnung nur für 100 T Euro verkäuflich,Kreditstand 190 T Euro, Immosteuer und weitere Gehaltskürzung in Aussicht. Was soll sie tun fragt sie mich? Ich weiss es nicht, klar geht sie demonstrieren, das ist besser als nichts tun.

  4. MI

    Wahrscheinlich wären alle schon mal froh, wenn man wüsste was man Umsetzen will oder muss – und da ist die Frage nach dem wie noch gar nicht gestellt.

    • Fredmund Malik

      Unter den vorgeschlagenen Massnahmen sind gute und schlechte, auch unrealistische usw. Diese kann man bis zu einem gewissen Grade mit freiem Auge erkennen. Danach aber braucht man Methoden und Tools, um die Menschen dafür zu gewinnen, die nötigen Umsetzungssysteme und die Organisationen, die das alles schaffen. Diese drei Dinge haben wir entwickelt und wenden sie an.
      In Griechenland gab es darüber aber noch keine Information.

      • MI

        Könnte ein Szenario wie 2002 in Argentinien funktionieren (dh das Land retten und nicht die Gläubiger)? Martin Blessing hat ja auch schon einen Vorschlag gemacht (http://www.faz.net/artikel/C30638/martin-blessing-der-tabubrecher-30462288.html), der den Griechen etwas Luft geben könnte und die Wirtschaft nicht noch weiter in die Knie zwingt. Allerdings hätten die Gläubiger dann uU ein größeres Problem.
        Aber auch für die Griechen wäre das kein einfacher Weg und mit vielen steinigen Veränderungen verbunden. Dies ist nur zu schaffen, wenn man (wie Sie schreiben) die Menschen davon überzeugen kann und auch in der Lage ist es zu „organisieren“ (und hoffentlich vor der nächsten Wahlperiode ein paar spürbare Ergebnisse vorweisen kann).

        • Fredmund Malik

          Für einen Fall Argentinien ist es heute vermutlich zu spät, denn damals war die Welt rund um Argentinien in einem vergleichsweise noch viel besseren Zustand.

  5. Jürgen Knoll

    Also Hilflosigkeit, Ratlosigkeit und Unfähigkeit auf der ganzen Linie. Besteht nicht deshalb die Gefahr, dass die Staaten der Europäischen Währungsunion einfach eine Währungsreform beschließen? Und ist das rechtlich überhaupt möglich? Dann wären die Staaten jedenfalls auf einen Schlag die meisten Schulden los. Sowohl die Gläubiger (und deren Anleger) als auch die Menschen mit Bargeld unter der Matratze würden einen herben Verlust erleiden. Beste Grüße, Jürgen Knoll

    • Fredmund Malik

      Darüber wurde im Blog schon viel diskutiert. Benützen Sie bitte die Suchmaschine, oder die Tags.

      • Jürgen Knoll

        Das hätte ich in der Tat vorher machen sollen, sorry. „Währungsreform“ ist in 2 Blog-Einträgen zu finden: „Keine Angst vor Inflation“ vom 24.11.2011 und Antwort auf „Staatsbankrotte, ganz normal“ vom 29.06.2011 19:56. Für mich unklar ist jetzt die Frage, ob eine Währungsreform „über Nacht“ kommen kann oder sich „früh genug“ abzeichnet. Außerdem würde mich interessieren, ob eine Staats-Insolvenz rechtlich geregelt ist. Besten Dank vorab.

        • Fredmund Malik

          Währungsreformen sind zwar die Unbekannten in der Gleichung, aber zumeist kommen sie sehr spät im gesamten Prozess.
          Staatsinsolvenzen sind nicht geregelt, weil man sie für unmöglich hält. Geschichtliche Wahrheit ist aber, dass die meisten Staaten immer wieder bankrott waren. Wegen des Staatsbankrottes von Frankreich ist unter anderem z. B. die französische Revolution ausgebrochen, weniger wegen der grossen gesellschafts-philosophischen Fragen.

  6. Walter Huber

    Lieber Hr. Malik. Es soll Sie überhaupt nicht bedrücken. Nehmen Sie bitte diese Erlebnisse als „Polit- und Wirtschafts-Realismus“ sachlich wert- und urteilsfrei zur Kentniss. Höchstens ein wenig Humor können Sie noch dazu geben. Der ungarische Philosoph und Autor Györy Sebstyen meinte schon: Da zwischen Wirklichkeit und Spiel offenbar nicht unterschieden werden kann, ist es besser, die Wirklichkeit als Spiel zu betrachten als umgekehrt. Und wenn die Wirklichkeit genauso sinnlos ist wie ihre Umkehrung ins Spiel, dann soll das Spiel wenigstens heiter sein: Die Kosten bleiben gleich, – und sterben muß man sowieso. Ca. mind. 80 % a l l e r Politiker und „Wirtschaftsfachleuten“ fehlt aktuell der (Zukunfts-)Plan. Weil die Herrschaften die neuen Modelle nicht kennen und die alten Modelle nicht mehr funktionieren. Dazu kommt der Verfall jeglicher Ehtik und Moral. Dazu auch Medien und Journalisten, deren Niveau und Qualität sich im Sinkflug befindet. Nehmen wir das als Realität an und bleiben wir trotzdem optimistisch – siehe oben!

    • Karin Binder

      Lieber Herr Huber,
      darf ich Sie fragen, wie Sie auf den Vergleich von Wirklichkeit und Spiel kommen ?
      Einfach nur Humor ? beste Grüße KMBInder

      • Walter Huber

        Die beiden Literaten und Autoren Sebestyen und Schnitzler haben in vielen ihrer Stücke die Wirklichkeit als Spiel dargestellt und philosophisch umgesetzt. Man denke bei Schnitzler an „Der grüne Kakadu“ oder „Marionetten“. Und die aktuelle Bühne der Politiker und Wirtschafts-Bosse erinnert mich immer wieder an diese absurde Welt. Dies kann man traurig oder lustig sehen. Ich bin hier immer für den sonnigen Humorzugang. Anderes würde ich die Herren Berlusconi oder Putin und viele andere nicht mehr wahrnehmen wollen. Herzliche Abendgrüße.

    • Fredmund Malik

      Sie haben Recht, bedrückt mich gar nicht, sondern bestätigt mich in unserer bisherigen Strategie: Nicht auf die 80% -„Nein“-Fälle zu setzen, sondern auf die restlichen 20% „Ja“-Fälle, also jener Politiker, die können und wollen, also auf die kritische Zahl jener, die eine Kettenreaktion auslösen können. Besten Dank für Ihre Hinweise.

  7. Christian K.

    Sehr geehrter Herr Malik. Bitte verstehen Sie meine Anmerkung nicht als Kritik – eher als Anregung: Sie kommen mit vielen wichtigen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft zusammen und Ihr Netzwerk darf man sicherlich als exzellent bezeichnen.

    *Dort* sitzen die Köpfe, die Sie überzeugen müssen, sich aus ihren starren Prozessen zu lösen. *Dort* können Sie etwas bewegen, dort können Sie Ihre „Tools“ anwenden, die ja nicht nur die Lösung der Probleme dieser Welt versprechen, sondern vielmehr auch tauglich sind, die Starre im Kopf bei der syntegrativen Zusammenarbeit zu lösen.

    Es ist sicher ein guter Ansatz, über die verfahrene Situation bei Ihnen vor Ort zu berichten. Nur – erreichen werden Sie damit nichts. Oder gehen Sie davon, dass die Leser Ihres Blogs zufälligerweise über noch bessere Kontakte verfügen, eine Kurzwahl in ihr Handy tippen und dann den Papandreos dieser Welt mal kurz und zackig zu bescheiden, dass man doch bitte mal jetzt mit der Methode Malik anfangen sollte?

    Ich glaube eher weniger, dass dies passiert. Wahrscheinlicher ist, Sie nehmen das Szepter selber in die Hand und leisten vor Ort mehr Überzeugungsarbeit.

    Ich drücke Ihnen die Daumen!

    • Fredmund Malik

      Die Informationsarbeit erfolgt auf vielen Ebenen und Kanälen. Auf ihre/seine Weise kann jede/r etwas dazu beitragen, dass möglichst viele von den neuen Lösungen erfahren.

  8. A.I.

    Was halten Sie in diesem Zusammenhang von dem Vorschlag von Jacques Delpla und Jakob von Weizsäcker, die eine Aufteilung in Blue Bonds und Red Bonds vorschlagen?

    Dieses Konzept scheint auf den ersten Blick die beiden widerstreitenden Pole zu vereinen: Anreize für solide wirtschaftende Länder, und weiterhin no-bailout für Länder mit zügelloser Haushaltspolitik.

    • Fredmund Malik

      Es ändert an der wirklich entscheidenden Frage kaum etwas: Das sind die notleidenden Schulden, der Besicherung nicht mehr ausreicht.

  9. Martin

    Sehr geehrter Herr Malik

    In was bestand denn Ihr Beitrag an der Tagung ? Konnten Sie aufzeigen, was da so alles schief läuft ? Hat jemand etwas dazu mitbekommen wollen ? Und hat jemand Entscheidender gesagt, er werde nun mit neuen Methoden an die Problematik rangehen ?
    MfGr
    MA

    • Fredmund Malik

      Die Tagung war ein erschreckendes Erlebnis, wie verkorkst und wirklichkeitsfremd das Denken vieler Ökonomen ist. Die wirklich wichtigen Gespräche kann ich aber nicht vor TV-Kameras führen. Das Interesse der – richtigen – Griechen ist deshalb umso grösser.

  10. Ludwig Kyral

    Werden bei einem Schuldenschnitt auch die überhöhten Ansprüche (wohlerworbenen Rechte) der Beamten- u. Politikerpensionen reduziert? Oder geht es dabei nur um die Staatsanleihen?

    • Fredmund Malik

      Das ist eine der vertrackten Fragen, vor denen die Politik steht. Wer soll wieviel abschreiben müssen, wenn der Staat gezielt einen Schuldenschnitt macht? In erster Linie wird es die Besitzer von Staatsanleihen in ihren verschiedenen Formen treffen. Aber auch Staatspensionen können gekürzt werden.
      Es wäre auch denkbar, dass der Staat Zwangsanleihen auflegt, um damit an die Sparguthaben der Privaten zu kommen. Im Augenblick sehe ich das zwar nicht, aber vorgekommen ist es schon oft, besonders allerdings in Kriegszeiten. Diese Situation ist bei uns nicht gegeben. Möglich wären auch Sondersteuern auf Aktiva, wozu die Sparguthaben zählen würden.