Perfektes Deflationsbeispiel eines Lesers

F. Malik am Samstag, 24.09.2011 um 12:08 Uhr
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Am 20. 9. postet ein Leser:

Ein gestriges Telefonat mit einer alten Freundin in Athen brauchte die Griechenlandkrise und die Unmöglichkeit einer Lösung mit jetzigen Mitteln auf den Punkt. 2006 Verdienst 2000 Euro netto, Staatsangestellte. 2008 Kauf einer ETW für 200 t Euro, 40 t EK, Kreditbelastung 600 Euro für 15 Jahre. 2011 Gehaltskürzung auf 1200 Euro, gleiche Kreditbelastung, Wohnung nur für 100 T Euro verkäuflich,Kreditstand 190 T Euro, Immosteuer und weitere Gehaltskürzung in Aussicht. Was soll sie tun fragt sie mich? Ich weiss es nicht, klar geht sie demonstrieren, das ist besser als nichts tun.

Mein heutiger Kommentar:

Danke für das Beispiel, das die Deflation perfekt und präzise darstellt. Wer dieses Beispiel kenn und versteht, versteht auch die Wirtschaft und sie/er versteht, dass und warum die Welt sich grundlegend geändert hat.

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48 Kommentare

  1. Stefan Ludwig

    Das Grundprinzip das es sich da um Deflation handelt kann ich nachvollziehen.
    Trotzdem habe ich eine Frage: Wenn in 2006 für die Etagenwohnung für 200.000 Euro gekauft wurde und das Eigenkapital 40.000 Euro betrug. Dann beträgt der Kredit 200.000 – 40.00 = 160.000 Euro.

    Wie kommt jetzt der Kreditstand von 190.000 Euro zustande? Wurde nach 24 Monaten Tilgungsstundung beantragt?
    Wurde ein Kredit über 200.000 Euro aufgenommen und an anderer Stelle die 40.000 Euro Eigenkapital angelegt?

  2. J.L.

    „…das Beispiel, das die Deflation perfekt und präzise darstellt. Wer dieses Beispiel kenn und versteht, versteht auch die Wirtschaft….“

    ich fürchte, um dieses Beispiel verstehen zu können, darf man keine Ahnung von Wirtschaft haben. Einen Kredit von 160.000 bei konstanten monatlichen Anuitäten von 600 zurückzuzahlen, dauert 22 Jahre. Bei 3% sind es 37 jahre und bei 4% 55 Jahre. Das „perfekte Beispiel“ Ihres Lesers impliziert, dass die Dame aus Athen auf ihren Kredit -5% Zinsen pro Jahr zahlt.

    Das ist ein Beispiel für Sektordeflation. In den USA ist das schon lang im Gange. Trotzdem ist die Geldmenge während der Immopreiskontraktion nicht gesunken und auch die Konsumentenpreise sind gestiegen. Richtig ist allerdings, dass es der Fed und der Regierung nicht gelungen ist, die Immoblase wieder aufzupumpen. Das hat man aber auch nicht direkt versucht.

    • Fredmund Malik

      Die gesamte Geld- und Kreditmenge in USA hat etwa ab 2007 (ich habe im Moment keine Unterlagen zur Hand) negatives Wachstum gehabt und hat ab etwa 2009 absolut zu schrumpfen begonnen, und zwar trotz der massiven Q-Easings und sonstigen Massnahmen. Dieser Prozess beschleunigt sind nun und das nicht nur in den USA. Es betrifft auch nicht nur den Sektor der Immobilien, sondern so gut wie alle Assets. Die Konsumentenpreise können sogar noch weiter steigen, aber das ist nicht Inflation, sondern eben Preissteigerungen, dort wo man solche noch durchsetzen kann. Nicht jede Preissteigerung ist auf Inflation zurückzuführen.

  3. Jürgen Clasen

    Die griechische Lebenswirklichkeit weicht stark von unserer Realität ab. Hierzulande werden die ETW und
    Häuser in guten Lagen knapp, wenn sie überhaupt zu haben sind und erzielen immer mehr Spitzenpreise. Unterstützt wird dies sicher durch niedrige Zinsen für Hypotheken. Konträrer könnte es sich im Vergelich nicht darstellen. Es erinnert an den seeligen Kostolany, der 2+2 = 5 vorrechnete, um dann süffisant nachzuschieben, minus 1 ! Die Ökonomie hängt an sehr dehnbaren Strapsen. Durchaus möglich, das wir auch in die griechische Lage kommen. Wir befinden uns in einer Höhle und sehen nur die Schatten an uns vorbei huschen. Die gegenwärtige Nomenklatur ist nicht im mindesten daran interessiert etwas zu ändern, weil sie mit neuen Methoden und Steuerungssystemen ja ihre Stellung verlieren würde. Gerade die letzten beiden Weltkriege zeigen, das man bis zuletzt verlorenes Terrain verteidigt und die Schafe es brav mitmachen, selbst, wenn sie ihren Nachwuchs dabei verlieren. Wenn also alles den Bach runtergeht, was kann der gewöhnliche Sparer tun ? Gorge Best : „Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben … Den Rest habe ich einfach verprasst.“

    • Fredmund Malik

      In Deutschland – da haben Sie Recht – wurde bei Immobilien nicht so gesündigt. Aber dafür in England, Irland, Spanien, Portugal und vor allem in den USA, um vorerst im Westen zu bleiben.
      Das Beispiel des Lesers zeigt die unausweichliche Logik und Mechanik einer exzessiv verschuldeten Wirtschaft, in der viele Ökonomen und Manager nicht erkannten, dass kein Wohlstand entsteht (Wertsteigerung und dgl.) wie sie glaubten, sondern die Voraussetzungen für die wirtschaftliche Hölle geschaffen wurden – mit besonderer Unterstützung durch Business Schools rund um die Welt.

      • A.I.

        Wie Wohlstand entsteht, ohne dass durch Erfindungen und besseres Management die Produktivität erhöht wird, und ohne dass mehr Menschen in Beschäftigung kommen und dadurch Nachfrage erzeugen, wird mir wahrscheinlich für immer und ewig ein völliges Rätsel bleiben.

        • Bernhard Schürch

          Die Produktion ist entscheidend, nicht die Produktivität. Die Produktion kann auch einfach mengenmässig erhöht werden, indem die Leuten mehr arbeiten oder sie sich mehr verschulden. Vor allem Letzteres ist in den letzten Jahrzehnten passiert, wegen der Kreditblase. Diese ist 2008 geplatzt und nun geht es in die andere Richtung: Entschuldung und somit Wohlstandsverlust.

      • Karin Binder

        Die meisten Leute verstehen vor allem das Timing bei Immobilien nicht. Zudem andere Länder wie England ganz andere Amplituden als die BRD verzeichnen. Das föderalistische Deutschland hat eher flache Kurven obwohl in München die Preise gerade durch die Decke gehen weil viele Vermögende ihr Geld retten wollen. Ca. 1986 – 1990 war London z.B. völlig am Boden, niemand wollte i.d. Old Bond Street !! für Billigstpreise Investments kaufen. Mrs. Thatcher hatte vorher die Zinsen extrem gesenkt…danach gingen sie bis 15% + hoch…die Menschen verspielten ihre Häuser via Fernsehlotterien. Ab ca. 1993 schnellte alles wieder extrem in die Höhe. Vor dem Beginn der japanischen Deflation ca. 1991 kauften die Japaner (wie Aoki etc.) zu überhöhten Kaufpreisen in der Welt ein – mit bloßem Auge konnte man erkennen, wie das endet. Die meisten Leute kaufen, wenn die Preise hoch sind, wenn sie zeitweise gut verdienen. (Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom). Aber so ging es eben in den letzten Jahren fast überall und das Ergebnis sehen wir. Wenige denken an Worst-case-szenarien.

        • Fredmund Malik

          Liebe Frau Binder, einmal mehr ein Kompliment: Sie haben ein sehr profundes Verständnis für diese Dinge. Die Jungen können das im Grunde gar nicht verstehen, weil man doch 1986 schon um die Zwanzig gewesen sein musste, um das Londoner Immo-Debakel verstehen zu können. Und mit Zwanzig interessiert man sich für andere Dinge. So kommt es, dass solches Wissen immer wieder verloren geht.

  4. Jörg Beier

    da das Beispiel von mir kommt, habe ich nochmal nachtelefoniert um auch die Fragen der anderen Teilnehmer zu beantworten. Steigt man tiefer ein wird es nur noch schlimmer.
    @Stefan Ludwig: 5 Jahre eisern sparen plus eine kleine Erbschaft ergeben das EK von 40t Euro. Dann die Wohnung gekauft zur Altersabsicherung, alles ging damals von weiter steigenden Preisen aus, das altbekannte Inflationsgespenst,Kredit mit 160t Euro, Rate ürsprünglich 5% Zins plus 1% Tilgung, damals 800 Euro im Monat, bei 2000 Euro Einkommen und erhoffter Mietfreiheit im Alter akzeptabel. In 2011 Tilgungsaussetzung beantragt, Kredit jetzt 150000t Euro, bei 5% Zins ca. 600 Euro im Monat. Ihr Einkommem gesunken auf 1200 im Monat. Verbleiben 600 im Monat bei jetzt gesteigerten LH Kosten durch Mehrwertsteuererhöhung. Ich selbst habe mich im letzten Sommer über die da schon orbitanten Supermarktkosten im Vergleich zu Deutschland gewundert. Kommt jetzt eine Immo Steuer , die Ihr einmalig bei 4 Euro pro qm 400 Euro abnimmt ( Wohnung hat 100 qm ) ist Sie in diesem Zahlmonat am verhungern. Im übrigen meint Sie , das die Wohnung im Moment nicht mal für 80 t Euro verkaufbar ist, es gibt einfach keine Interessenten.

  5. Jörg Beier

    @ Jürgen Clasen, und da weiss ich nicht ob die griechische Lebenswirklichkeit so weit weg ist, sie ist nur auf einem anderen Zeitstrahl, wenn jetzt Häuser und ETW,s in besten Lagen zu Spitzenpreisen über den Tisch gehen und der niedrige Zins diese Preise noch hebelt , so gibt sich jeder Käufer in die selbe Gefahr, nur ein paar Jahre später, und es sich herausstellt das diese Preise nur im Infla Modell gerechtfertigt waren. Wehe, es geht andersrum. Meine Frage an Herrn Malik, Kenneth Rogoff erwähnte heute in einem Interview die Möglichkeit, das die Zentralbanken Inflation in Höhe von 6 % schaffen sollen, für 8 Jahre. Meine Frage: Wie soll das technisch gehen?

    • Fredmund Malik

      Es geht eben nicht! Warum? Anscheinend kapieren die Rogoffs einfach die Notenbanken nicht.
      Es braucht zwei Parteien dazu, dass die für eine Inflation nötige Liquidität in den Markt kommt: Den Kreditgeber und den Kreditnehmer. Kreditgeber sind die Geschäftsbanken, denen die Notenbanken günstigste Kredite zur Verfügung stellen (Null Zins). Dafür müssen diese hochklassige Wertpapiere an die Notenbanken geben. Nun könnten die NBs Kredite vergeben. Aber diese will eben niemand mehr. Warum sollen die Leute noch mehr Kredite aufnehmen, wenn sie ohnehin schon zu viele haben. Sie nehmen bestenfalls die billigeren Kredit um damit teure umzuschulden. Also gibt es auch keine Inflation.
      Die Rogoffs verstehen anscheinend aber auch die Inflation nicht, die sie da produzieren wollen. Denn Preissteigerungen sind nicht automatisch auch Inflation. Wenn Tomaten knapp werden und daher die Preise steigen, so hat das mit Infla rein gar nichts zu tun. Nun gibt es zwar noch Preissteigerungen in den Konsumentenpreisen, also am Ende der ökonomischen Pipeline als Folge früherer Exzesse z. B. an den Rohstoffmärkten. Diese sind aber weitgehend vorbei. Die Preis an den Futuresmärkten sind mit wenigen Ausnahmen reihenweise am Sinken, ja – auch in den Edelmetallen und im Öl. Woher soll also Inflation kommen?
      Heute fehlen dafür die grundlegendsten Voraussetzungen. Was soll man also von solchen Vorschlägen halten?

      • Bernhard Schürch

        Die Rogoffs verstehen vor allem Liquidität nicht. Sie sprechen immer von der „Geldmenge“, dabei ist die Kreditmenge relevant. Die Quantitätstheorie des Geldes ist eines der ältesten Irrtümern der Ökonomie.

        • Fredmund Malik

          So ist es …

          • Peter

            Sehr geehrter Herr Prof. Malik!
            Vielen Dank für Ihre flotte Antwort. Auf diesem Gebiet bin ich wirklich recht unerfahren, ich gehe jedoch davon aus, dass sie echtes BARgeld meinen und nicht etwa Geldmarktfonds u. dgl.

            Eine weitere Frage beschäftigt mich noch 🙂
            Allerorts wird darüber philosophiert, dass die horrenden Staatsschulden ja nur via Inflation abgebaut werden können … wie passt das in Ihr (für mich doch plausibles) Deflationsszenario? … Salopp gesagt: Sagt der Anleiheemittent seinen Zeichnern (Gläubigern) einfach … „Sorry, wir zahlen bei Fälligkeit nurmehr 20 % des Nominales“ …

            Grüße aus Wien sendet
            Peter

            • Fredmund Malik

              Richtig, ich meine in letzter Konsquenz bares Geld – in Scheinen.
              Schulden können zwar durch Inflation nicht abgebaut werden, sondern sie werden dadurch leichter bezahlbar. Aber das ist nur ein Weg. Der andere, viel wichtigere Weg ist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und das Abschreiben seitens des Gläubigers. Die Folge sind Zwangsmassnahmen, wie Ausgleich und Konkurs und im Zuge dessen Pfändung und Exekution.

          • Jörg Beier

            dies würde bedeuten das Realwerte nach der Währungsreform wieder werthaltig sind. Hatte heute abend ein witziges Gespräch mit einem alten Freund der meinte das er bei unserem ersten Kennenlernen vor 10 Jahren m.o.m. letter las, in einem Fitness club. Seine und auch meine Frage , Europa deflationär , weil vorprogrammiert, aber könnte Amerika nicht mit Ihrer Notenbank massiv inflationieren, um Infrastruktur , Bildungswesen u.ä. voranzubringen. Das müsste doch auf nationaler Ebene viel bringen, wenn alle Welt Dollars eh kaufen muss, haben die Amerikaner da nicht einen strategischen Vorteil was Ihre Geldmengenerweiterung bringen kann? Wer solte Sie daran hindern, China doch nur mit eigener Aufwertung, das ist sicher nicht gewollt. Die Frage ist also: kann Amerika inflationieren, wenn es andere nicht können.

            • Fredmund Malik

              Es sind noch etliche Winkelzüge möglich, bis zum Einsatz von Waffen.
              Aber letztlich müssen Schulden bezahlt werden, entweder durch die Schuldner oder durch die Gläubiger.
              Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Geschichtlich kam es regelmässig vor, dass die Gläubiger von den Schuldnern einfach umgebracht wurden. Unter anderem waren das auch mehr als einmal Gründe für die Juden-Pogrome.

          • Peter

            … interessante Meinungen sind hier zu finden. Aber ein bißchen ratlos bin ich nun schon was aktive Veranlagungsmöglichkeiten betrifft. Inflation kommt wohl eher nicht (wenngleich andere Quellen wieder von Inflation sprechen (… nun ich sollte die Quellen wechseln 🙂 ) zumal ich die Argumentation als richtig empfinde …

            Aber was tun, wenn in der Deflation ALLES sinkt … auf breiter Front und das noch im mittelfristigen Zeitrahmen … dann auf einmal Währungsreform (die sich wie eine Inflation anfühlt) …? Bin nun etwas ratlos wie ich ein möglichst kaufkraftneutrales Portfolio aufstellen kann …

            • Fredmund Malik

              Diese Frage ist hier schon häufig besprochen worden.
              Die beste Strategie ist Bargeld halten. Wegen der sinkenden Sachwerte wird Ihr Geld jeden Tag ganz von allein mehr wert, weil sie mehr damit kaufen können. Zum Beispiel sind US-Aktien gestern um knapp 3% gefallen. Also kauft derselbe 100 Dollarschein Aktien nun um eben diese 3% günstiger ein. Ihr Geld ist also um 3% wertvoller geworden. Eine Währungsreform wird erst viel später folgen, in 2 – 3 Jahren vielleicht. Man wird sie kommen sehen, wenn man richtig hinschaut.

          • christian mueller

            Herr Beier: sehe ich genauso, der Staat tritt als Kreditnehmer auf und leitet die Kapitalströme um. Dieser Zusammenhang ist heute bereits zu beobachten. Bspw. hat die (quasi-staatliche) Commerzbank deutlich höhere Engagements in Griechischen Staatsanleihen als die Deutsche Bank. Institutionalisiert wird dies mit dem EFSF bzw. ESM.
            1) Lösung ist nur kurzfristig tragfähig, falls EFSF nicht gehebelt wird
            2) Finanzierung über EFSF führt zu Monetisierung der Staatsschulden, da für den EFSF die EZB den lender of last resort darstellt
            3) Dies führt letztlich zu Inflation

            Herr Malik: Ich stimme Ihnen zu, Deflation i.S.v. Kontraktion der Geldmenge entsteht durch Tilgung oder Abschreibung von Krediten. Aber bei Anzeichen von Defaltion werden Abschreibungen durch „Rettungsaktionen“ des Staates verhindert und neues Kreditvolumen geschaffen. Die Folge wäre eine kurze Deflation gefolgt von massiver Inflation.

            Halten Sie dies für ein schlüssiges Szenario?

            • Fredmund Malik

              Eher nicht, sondern eine lange Defla mit einer raschen Währungsreform am Schluss, die dann wie eine Inflation wirkt.

          • Jörg Beier

            ein sehr interessanter Ansatz von Herr Mueller, der Staat wird der neue Kreditnehmer, allerdings sehe ich dann im längerfristigen Szenario stärkere Inflation, denn dann hätten wir Planwirtschaft, wir würden den Bock zum Gärtner machen.

            • Fredmund Malik

              Das geht unter den heutigen Bedingungen nur vorübergehend und sehr kurzfristig. Sehen Sie dazu
              Christoph Aigner von gestern und meine Antwort dazu.

          • christian mueller

            Ich verstehe sie so, dass die Schaffung zusätzlicher Liquidität durch die NBs nicht funktioniert, weil keine Kreditnehmer da sind.
            Treten aber im Falle der EZB und des ESFS nicht die Staaten als Kreditnehmer auf?
            Es wäre als eine Konstellation denkbar, in der a) die Zinsen niedrig bleiben
            b) die Staaten sich direkt oder über den ESFS verschulden und c) per deficit spending die Wirtschaft stimulieren d) daraus eine Inflation der Preise und Vermögenswerte folgt e) eine Entschuldung gelingt, falls die Inflation oberhalb der Zinsen liegt

            Damit wäre eine längere Phase mit mittlerer Inflation ein tragfähiges Szenario.

  6. Jörg Beier

    @J.L.
    15 Jahre war nur die Zinsfestschreibung, sie hoffte allein mit der Inflation innerhalb 30 Jahre tilgen zu können, so denken hier ja auch viele

  7. A.I.

    Der Dreh- und Angelpunkt des Problems scheinen mir also die gigantischen Schuldenberge zu sein, die im Grunde einfach nicht mehr bedient werden können.

    Könnte also ein Ansatz erfolgreich sein, indem man über eine Neuordnung der Verbindlichkeiten verhandelt?

    Auch Deutschland, von dem aus man Griechenland etwas von oben herab kommentiert, wurde 1953 im Londoner Schuldenabkommen teilweise entschuldet und mit niedrigeren Zinssätzen belegt.

    Wäre der nächste Ansatzpunkt, den Banken in Zukunft das Recht zur Giralgeldschöpfung wegzunehmen? D.h., 100% Eigenkapital?

    Ich kann mir gut vorstellen, dass man als reine Depositenbank nicht so ohne weiteres feindliche Übernahmen von Unternehmen und die Zerschlagung ihrer Wirtschaftssubstanz finanzieren, und später die Immobilienblase so hätte aufpumpen können. Kredite würden dann nur noch von der Notenbank ausgegeben.

    Da ich allerdings auch kein Bankenexperte bin, möge man mir verzeihen, dass meine Überlegungen wohl völlig ins Leere gehen.

    • Fredmund Malik

      Solche Verhandlungen laufen schon, aber die Situation zu 1953 ist sehr verschieden. Damals ging es ja darum, ob die Bundesrepublik als neue Rechtspersönlichkeit überhaupt Schulden des untergegangenen Dritten Reiches übernehmen muss.
      Die banktechnischen Lösungen sind dann die Details, die zu einem neuen Funktionieren beitragen müssen.

  8. Stefan Ludwig

    Nachdem ich mir jetzt den Film ZEITGEIST MOVING FORWARD auf youtube angeschaut

    habe stehe ich auf folgendem Standpunkt:

    Alle Lösungsvorschläge die immer noch kapitalistische Marktwirtschaft als Grundlage haben bedeuten Wiederholung der Geschichte mit einem neuen Kondratieff-Zyklus. D.h. in 55-60 Jahren wieder genau die gleichen Probleme wie heute. Verursacht durch ZinsesZins und man höre und staune Marktwirtschaft. Um zu verstehen warum Marktwirtschaft die größte Schuld an der Erdkrise hat schaue man sich den Film an.
    Links:

    http://www.youtube.com/watch?v=XTjledR9PJU
    http://www.youtube.com/watch?v=tqL5VqEa7Z4
    http://www.youtube.com/watch?v=mhPQlOfXuSA

    Ich bin gespannt welche Argumente man noch FÜR kapitalistische Marktwirtschaft vorbringen kann.

    This is OUR planet! Ressourcenbasierte Wirtschaft mit einem auf naturwissenschaftlicher Empirie basierten Wettbewerb der IDEEN die größtmögliche RESOURCEN-Effizienz versprechen – nicht Wettbewerb von Unternehmen. Ausgehend von kybernetischen Steuerungsstrukturen die auf dem Viable System Model (VSM) basieren wie es Malik vorschlägt. Vom VSM ausgehende Weiterentwicklung der kybernetischen Steuerungssysteme durch Wettbewerb der Ideen.

  9. MI

    Arbeiten und Sparen lautet die Devise…. wie ich finde ein sehr „realitätsnaher“ Artikel was den (privaten) Umgang mit Geld betrifft . Hätten sich „alle“ das Grundmodell zu Herzen genommen, wäre die Situation jetzt wohl um einiges besser bzw. gar nicht entstanden.
    Und bei allen notwendigen Veränderungen die auf uns zukommen, muss insbesondere auch die „Idee“ vom einfachen, schnellen und ohne Mühe erzielbaren „Reichtum“ aus den Köpfen der Leute.

    http://www.faz.net/artikel/C31042/die-vermoegensfrage-angst-und-gier-sind-schlechte-begleiter-30722813.html

  10. Jürgen Clasen

    Neue Art der Krisenbewältigung laut Welt online:
    „Analyst Torge Middendorf von der WestLBMiddendorf hält einen Hebel von Faktor acht für realistisch. Nach seinen Berechnungen könnte das achtfache Volumen der hinterlegten Sicherheiten – also insgesamt 2,664 Billionen Euro –könnte als Kredit an klamme Euro-Länder vergeben werden. So würde Geld aus Geld geschaffen.“
    Man kauft Staatsanleihen, verhöckert sie an die EZB. Kriegt neues Geld… kauft Staatsanleihen usw. Ich mache jede Wette, so ging auch Mister Gono in Simbabwe vor und es bescherte dem Land eine nette Hyperinflation. In Euroland ist das System aber sehr groß und es verträgt vermutlich einiges bis es völlig besoffen ist. Natürlich würde diese Vorgehensweise alle Lehrsätze für eine Notenbankpolitik auf den Kopf stellen, konterkarieren. Nur, wir sind bereits aus meiner Sicht in einem gleichgeschalteten Zustand. Alle Gesetze, Regeln, Zusagen sind nicht mehr wert als das Papier, auf denen sie gedruckt sind. Wenn es so kommt, werden wir Inflation sehen und zwar nicht zu knapp.

    • Fredmund Malik

      Die Deflation ist in vollem Gange. Eine Inflation haben wir hinter, nicht vor uns.

      • Karin Binder

        Deflation & Demographie :
        ein interessanter Aspekt zur Deflation im Westen wurde uns zugemailt . In USA z.B. gehen tgl. 10.000 Babyboomer i.d. Ruhestand, die ihre Aktien als Zubrot verkaufen, sparen + nicht konsumieren wie in ihren jungen Jahren. Ähnliche auch demographisch begründete + daher herabgesetzte Gewinnerwartungen soll die DB für das “Graue Zeitalter“ haben.( Shrinking cities sind schon lange ein Immmobilien-Thema). Durch Zuwanderung wird das nicht schnell ausgeglichen ? Überalterung als ein Faktor der multifaktoriellen Deflation ? (Die Fiatwerkstatt repariert so viele Fiats wie nie zuvor hier, aber verkauft wenige) . Ob der i.d. Email angegebene, abnehmende Grenznutzen für Energie und Kredite preissteigernd wirkt ? Das widerspricht sich eigentlich.

  11. Horst Klein

    Sehr geehrter Herr Professor Malik,
    obwohl ich schon recht lange hier im Blog Ihre Ansichten und Thesen versuche zu verstehen, will mir bis heute eins einfach nicht in den Kopf ! Ihr Argument für einen steigenden Dollar ist die These, dass Dollarschulden in Dollar beglichen werden müssen. Wieso ?? Ich kann doch Dollarschulden in EUR bezahlen, evtl. sogar mit Rohstoffen wie Öl oder Gold ? Wer würde das ablehnen ?
    Zeigt die wirtschaftliche Erholung in Irland und Portugal nicht, dass der Weg über monetäre Rettungsschirme im Prinzip funktioniert, nur aktuell bei Griechenland (noch) nicht ?

    Mit freundlichen Grüßen

    Horst Klein

    • Fredmund Malik

      Schulden müssen in der Währung bezahlt werden, in der sie vertraglich vereinbart wurden.
      Freiwillig könnte ein Gläubiger auch etwas anderes annehmen, aber das tut kaum einer.
      Die Gläubiger müssen ihrerseits ihre Schulden bei anderen in Dollars bezahlen. Rohöl statt Dollar nützen ihm dafür nichts.

  12. Florian Linse

    In diesem Zusammenhang kann ich dringendst empfehlen, dieses historisch einmalige Dokument zu lesen:
    http://londonbanker.blogspot.com/2011/09/testimony-of-marriner-eccles-to.html
    Es handelt sich um Auszüge aus einer Ansprache 1933 von Marriner Eccles – einem Bankier und Unternehmer – vor einem US-Senats-Ausschuss, der die Aufgabe hatte, die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme der Great Depression zu untersuchen. Dieser Mann spricht mit bemerkenswerter Gründlichkeit die Ursachen der Krise an und erklärt auch, welche Massnahmen zu ihrer Lösung notwendig sind. Dem Mann wurde offensichtlich Gehör geschenkt. Er wurde Berater bei Roosevelt und war massgeblich an der Erstellung der Massnahmen, die zum New Deal führten, beteiligt.
    Ich führe das hier an, weil Eccles viele der Probleme anspricht, die in Verbindung mit dem hier erwähnten Kredit-Maleure, relevant sind: z.B. Kaufkraftverlust, sinkende Löhne, volkswirtschaftlich problematische Schuldenstruktur, zu hohe Besteuerung der Produktivleistung im Verhältnis zur Finanzleistung etc. etc.

  13. Christoph Aigner

    Sehr geehrter Prof. Malik,
    heute ist in der FTD zu lesen, dass Italien sein Staatsvermögen bewertet und Verkäufe, z.B. von Immobilien erwägt. Dadurch stellen sich mir einige Fragen:
    1 – Ein solcher Verkauf mindert zwar die Verschuldung, ändert aber am System nichts, sodass man nach einiger Zeit wohl wieder am gleichen Verschuldungspunkt stehen dürfte.
    2 – Der Verkauf des Tafelsilbers verringert die laufenden Einkünfte (z.B. Mieteinnahmen des Staates oder Dividenden von früheren Staatsbetrieben), sodass ein Land wie Italien noch schneller als bisher in die Schuldenfalle gezogen wird.
    3 – Wer soll bei der aktuellen Unsicherheit Milliardensummen für solche Staatskäufe aufbringen? Der Preis dürfte schwierig zu verhandeln sein und tendentiell zum beschriebenen Preisverfall weiter beitragen.
    Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

    • Fredmund Malik

      Als ich solche Entwicklungen schon vor Jahren voraussagte, ganz einfach weil diese vorprogrammiert waren, konnten die meisten sich so etwas gar nicht vorstellen. Jetzt sind die Prognosen Realität, und dies nicht nur in Italien. Das ist typisch für die Deflation, die nun immer wuchtiger wird.
      Zu 1. Das System wird sich dann geändert haben, wenn so gut wie alle Schulden liquidiert sind.
      Zu 2. Das stimmt nur teilweise, weil die meisten Staatsbetriebe de facto Verluste machen und Mieteinnahmen durch Instandhaltungskosten überkompenisert werden.
      Zu 3. Genaus das ist die Kernfrage. Die meisten dieser Assets sind zu den gewünschten Preisen unverkäuflich, und finden – vielleicht – noch Käufer zu wesentliche niedrigeren Preisen. Eben dies, sie haben absolut Recht, treibt die Deflation weiter an. Am Ende wird man solche z. T. wundervoll gelegenen Immobilien gratis bekommen, und der Verkäufer wird sogar noch zuschiessen, damit er von den Kosten befreit wird. Das ist die Wiege der späteren wirklich grossen und soliden Vermögen.

      • Florian Linse

        Weil so nebenbei immer leicht der Eindruck entsteht, es wäre eine spezielle Eigenheit von Staatsbetrieben, dass diese defizitär wirtschaften, möchte ich etwas ausser der Reihe zu Punkt 2 hinzufügen, dass nahezu jeder Grosskonzern unter dem Strich ähnlich Verluste macht. Die Ineffizienz dieser Unternehmen wird durch Subventionen, Steuererleichterungen, direkter Zugang zu den Finanzmärkten und Abwälzen der Kosten auf die Schwächeren (einfaches Beispiel: KFZ-Hersteller versus Zulieferbetriebe) kaschiert. Müssten diese Unternehmen unter Bedingungen wie denen der meisten klein- und mittelständischen Unternehmen arbeiten, wären sie defizitär.
        Die Ineffizienz scheint eher ein Phänomen von sehr grossen Unternehmungen zu sein. Privatwirtschaftliche Unternehmen überkompensieren diesen Nachteil durch Grösse, sprich: Macht.

        • Fredmund Malik

          Danke für den Hinweis. In Punkt 2 bezog ich mich auf die italienischen Verhältnisse, die im Posting angesprochen waren. Grosse Unternehmen leiden nicht nur an ihrer Grösse, sondern an der Ineffizienz der alten Tools und Methoden. Mit unseren neuen Methoden hingegen können hervorragend performen. In meinem Strategie-Buch habe ich dazu ein Kapitel mit der Überschrift: Wie man Elefanten zum Tanzen bringt.

  14. Florian Linse

    Darf ich fragen, warum meine beiden Kommentare keine Freischaltung erhalten? Liegt ein Versehen vor, habe ich einen Fehler gemacht, habe ich eine Etikette verletzt….? Oder dauert es bei diesen beiden Kommentaren einfach ein bisschen länger?

    • Fredmund Malik

      Sorry, aber welche meinen Sie? Ich sehe diesen Eintrag vom 2. 10. 15, 35 h
      und noch einen um 16.02,
      den ich aber erst noch beantworten muss

      • Florian Linse

        28.09. 20:06 Mariner Eccles Rede vor US-Senat
        29.09. 11:47 Veranschaulichung Griechische Staatsschulden

        Sollten die Postings verlorengegangen sein, kann ich Sie Ihnen noch einmal schicken. Allerdings glaube ich das nicht, da ich sie in meiner Ansicht Ihres Blocks noch immer sehen kann.
        Es steht halt die Überschrift drüber:
        „Dein Kommentar wartet auf Freischaltung.“

        Besonders wenn man das Eccles-Dokument liest, ereilt einen das Gefühl, dass man im falschen Film sitzt, angesichts des politisch/ökonomischen Kasperletheaters, dass gegenwärtig aufgeführt wird.

        • Fredmund Malik

          Ich erinnere mich an Ihr Posting und auch daran, dass ich darauf geantwortet habe. Muss mal suchen, tut mir leid.

  15. Jürgen Clasen

    Hier schiebe ich noch was nach, seien Sie beruhigt, letztmalig. Die Warenwelt mit der ich konfrontiert bin, sagt
    anderes, als die theoretischen Ansätze, die ja durchaus fundiert sein mögen und deren Aussagen noch eintreffen
    können. Wir haben einen populären Maßstab. Das Mass auf der Wiesen. Bekanntlich wird da jährlich kräftig draufgelegt. Ist eine Modererscheingung und die Besucher haben es wahrscheinlich auch nicht besser verdient als
    abgezockt zu werden. Anders verhält es sich aktuell bei den Weihnachtsgänsen. Eine gute frische münsterländische Gans kostet, wie ich gerade am Wochenmarkt gesehen habe, heuer 1 Euro mehr pro Kilo. Macht nach Adam Riese 9,1% Aufschlag. Dabei rede ich nicht von Osteuropaware, TK Produkten. In diesem Blog sind
    nur Leute versammelt, die sich mit ihrer Denke jenseits aller Trampelpfade bewegen und sie sollten sich mal
    outen in dieser Hinsicht. Wenn das Dienstpersonal das für sie erledigt und das Haushaltsgeld keine Rolle spielt,
    ist es schon klar, dann sind solche Preissprünge auch kein Thema. Wer sich eben mal um 55 Mrd Euronen
    verrechnen kann, dem ist auch bei der Ermittlung der Inflationsrate nicht viel zuzutrauen. Mistraut allem!

    • Fredmund Malik

      Konsumgüter, wie Gänse zu bestimmten Jahreszeiten, oder das Bier auf der Wiesn sind saisonal und anlassbezogen in der Preisegestaltung. Hier kann man auf Konsum ja auch verzichten. Anders ist es bei überschuldeten Sachwerten. Dort muss man bezahlen, wenn die Bank fällig stellt, weil die Sicherheiten nicht ausreichen, und ich kann dazu auch recht schmerzhaft gezwungen werden. Hier spielt sich die Deflation ab, die sich aber mit Zeitverzögerung auch bis zu den Gänsen frisst.

  16. TT

    Hallo Herr Malik,

    vielleicht haben Sie die Übersicht selbt schon gesehen: der Economist House Price Index: http://www.economist.com/blogs/dailychart/2011/11/global-house-prices. Hauspreisentwicklung jeweils vom Höhepunkt der Preise gerechnet bis Q1 2012: Irland: – 50%, Spanien -30%, USA -40%, GB -20%, JP seit 1991 -40%. Rückschlüsse aus dieser Grafik zieht der Economist nicht, obwohl selbst erstellt… Wie alle anderen Mainstream Medien sehen Sie die Deflation nicht, obwohl sie offensichtlich voll im Gange ist.

    • F. Malik

      Ein sehr gutes Beispiel 1. für die Realitäten in der Wirtschaft, die in den meisten Medien nicht erwähnt werden und 2. dafür, wie wenig selbst der renommierte Economist zu verstehen scheint, was vor sich geht. Sie haben das ganz richtig kommentiert.
      Da gibt es zwar viel Gerede über den Fair Value, der ein sehr irreführendes Konzept ist, aber so gut wie kein Verständnis über die erbarmungslosen Deflationskräfte.