Herkömmliche Ökonomie versus funktionierende Lösungen

F. Malik am Samstag, 09.06.2012 um 14:24 Uhr
« Vorheriger Artikel / Übersicht / Nächster Artikel »

Moritz Meier, ein neuer Blog-Gast, hat mir die Frage gestellt, was ich unter herkömmlicher Ökonomie verstehe. Meine Antwort darauf dürfte andere LeserInnen auch interessieren. An der Stelle über F.A. von Hayek und bei der Asset Value Theory habe ich je eine Präzisierung angebracht.

Mit herkömmlicher Öko meine ich u. a. Keynesianismus und Monetarismus in ihren div. Spielarten, ebenso Asset Value Ökonomie (Wealth Creation Theory), Finanzmarktheorie und Perfect Market Theorie usw.

Die Österreichische Schule ist zwar weit besser, aber doch nicht mehr gut genug, denn es hat sich seit ihrer Entstehung zu vieles geändert. So hat bspw. selbst FA Hayek, den ich zwar sehr schätze, primär aber als Gesellschaftstheoretiker und heute weit weniger als Ökonom, eine in wichtigen Punkten nicht mehr taugliche Marktvorstellung und v. a. eine völlig unzulängliche Theorie des Unternehmens und der Funktion des Gewinnes.

(Hayek konnte 1960 nicht wissen, welche bedeutenden Fortschritte wir in der Unternehmensstrategie und Unternehmens-Navigation machen würden (dazu mehr in meinem Buch über Strategie (2011). Seine damalige Lösung ist dadurch weitgehend überholt, so wie generell die Theorie des Marktes (Adam Smith etc.) überholt ist. Sie stammt aus der Zeit der lokalen Gemüsemärkte… Andere Teile der Theorie von Hayek sind aber weiterhin hochrelevant).

Ähnlich auch v. Mises.

Weit besser für die heutige Situation, in die uns ja gerade die herkömmlichen Theorien gebracht haben, sind aber Schumpeter und auch – ja – Kondratieff. Zentral wichtig sind Heinsohn/Steiger.

GR ist durch IMF und unsäglich primitive Anwendung von herkömmlicher Ökonomie kaputt gemacht worden. Nicht, dass ich die Griechen entschuldigen will, an vielem sind sie auch selbst schuld. Die Lösung liegt hier aber längst nicht mehr auf ökonomischer Ebene, und eben schon gar nicht auf der herkömmlichen. Über meine eigenen Lösungen und vor allem Methoden und Tools finden Sie vieles im Blog und andernorts reichlich publiziert.

Tags:

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

 Verbleibende Zeichen

23 Kommentare

  1. Jürgen Clasen

    Wir haben es mit verdammt vielen Variablen zu tun. In GR mit Syriza. Was werden sie tun, wenn sie die Regierung stellen? Oder werden die abgewirtschaftete ND und die PASOK weiter pfuschen ? Auf das bisherige
    Fundament llegen die Investoren keine Ziegelsteine. In ES hat man keine rechte Vorstellung von der Höhe des Schuldenturms. 40 Mrd, 80 Mrd
    mehr, sehr viel mehr ? Letztlich sind das überall Summen, die nie mehr
    in der gleichen Währung zurückgezahlt werden können. Natürlich auch in UK und in den USA nicht. Ihr kriegt Euer Geld nicht mehr im gleichen Wert
    zurück, wie Ihr es Ihnen gegeben habt! Daraus folgen in Zukunft Ab-schreibungen auf Eure Sparguthaben, höhere Steuern und Abgaben obendrauf.
    Die big Spender in diesem Spiel verstehen es meisterhaft alles auf den
    Deckel des „unerschöpflichen“ Staates zu nehmen und können dabei den Anschein erwecken, wir hätten zu unseren Lebzeiten damit nichts zu tun. Gefühlt scheint sich das irgendwo auf der unsichtbaren Seite des Mondes zu
    ereignen.

  2. Robert Baumann

    Ich stimme Ihnen zu, ja uneingeschränkt. Nur für die Zeit nach der Krise stellt sich die Frage: Welche Art von Staat
    brauchen wir zukünftig, um Krisen wie die derzeitige besser steuern zu können, soll heißen, ohne das soziales Chaos die unausweichliche Folge des deflationären Zusammenbruchs ist. Der heutige Staat ist dazu auf jeden Fall nicht geeignet. Ganz im Gegenteil. Er ist ja gerade der Grund dafür, daß die sog. reale Wirtschaft immer räudiger geworden ist und sich über Jahrzehnte hinweg die Fallhöhe immer weiter erhöht hat. Darüber zu philosophieren
    ist ein dringliches Desiderat – gerade auch in diesem Blog. Meinen Sie nicht auch? Empfehlenswert ist da u.a. PCM’s
    Krisenschaukel, vornehmlich die letzten Kapitel.

    • F. Malik

      Die Demokratie in ihrer heutigen Form, und noch weit mehr die Verwaltung, sind der Komplexität und Dynamik der heutigen Gesellschaft immer weniger gewachsen. Das war vorhersehbar, und deswegen haben wir Organisationsstrukturen und Managementsysteme entwickelt, die um das 80-fache effizienter und um das 100-fache schneller sind. Vor allem haben wir die nötigen, hochinnovativen Tools erfunden, mit denen die Herausforderungen auf neue Weise gemeistert werden können. In rund 600 Anwendungen haben diese ausnahmslos perfekt funktioniert.

      • Moritz Meier

        Der heutige Staat hat nicht nur einen „organisatorischen Defekt“ (analog zu vielen, gerade großen Unternehmen), sondern m.E. auch einen grundsätzlichen: Er versucht, Dinge zu tun, die auch bei perfekter Durchführung nicht möglich sind. Deutlich wird dies, wenn man sich vergegenwärtigt, was staatliche Eingriffe im Regelfall bedeuten: Der Staat definiert eine „One-size-fits-all-Lösung“ und setzt diese auf dem Gesetzeswege durch. Der Markt hingegen – lässt man ihn in Ruhe – experimentiert. Millionen von Menschen und Unternehmen überlegen neue Lösungen, jeder entscheidet für sich, was für ihn – vermeintlich – das Beste ist. Und am Ende entscheidet die objektive Realität, was tatsächlich am Besten funktioniert hat. In diesem Geflecht aus Angebot und Nachfrage lässt sich ein komplexes System, wie es unsere Welt heute nun mal ist, unendlich viel besser steuern als durch staatliche Lenkung. Planwirtschaft funktioniert nicht – egal, in welchem Umfang und mit welchen Methoden. Oder, lieber Herr Malik, hätten Ihre (von mir hoch geschätzten) Methoden die Sowjetunion retten können? 😉

        • Stefan Ludwig

          Meine Einschätzung ist, kybernetische Methoden hätten die Sowjetunion transformieren können. Man hätte möglicheweise die äußeren Landesgrenzen erhalten können. Die INNERE Struktur hätte sich aber radikal verändert. Völlig weg von Planwirtschaft hin zu sich weitgehend selbstregulierenden Organisationseinheiten. Die Entscheidungen welches Problem wie zu lösen ist würden abhängig von ihrem räumlichen Wirkungskreis auf entsprechender Ebene getroffen werden. Wobei alle diese Entscheidungen auch die auf der untersten Ebene trotzdem an gemeinsamen Leitlinien und einem Gesamtziel ausgerichtet wären. Mit freundlichen Grüßen Stefan Ludwig

          P.S.: Ich habe anno 1989 verschiedene Bücher von Frederik Vester über vernetztes Denken gelesen. Nach den ersten 50 Seiten war mir klar „da geht’s lang!“
          Nach dem ersten Buch war mir klar die Planwirtschaft der Ostblockstaaten ist allein schon aus kybernetischen Gründen zum Scheitern verurteilt ist.

          • F. Malik

            Paradoxerweise hatten die Sowjets viele der fähigsten Kybernetiker. Einige von Ihnen konnte ich in Moskau 1973 besuchen, nachdem wir eine Spitzendelegation von ihnen am 1972er St. Galler Management Symposium zu Gast hatten, das ich damals co-präsidierte. Was sie beschreiben wäre möglich gewesen, aber es wäre eben gerade nicht mehr die Sowjetunion gewesen, denn diese hatte sich eben dogmatisch durch Planwirtschaft und Zentralismus definiert.

        • F. Malik

          Der Markt so wie Sie ihn schildern funktioniert durchaus, aber nicht von allein, sondern nur wenn die dafür nötigen Bedingungen streng eingehalten werden. Er funktioniert aber nur in der Realwirtschaft, denn dort haben wir die nötige Selbstregulierung und Selbstorganisation. Der Markt ist dann ein evolutionäres Entdeckungsverfahren, wie F. A. Hayek dies nannte. Die Finanzmärkte hingegen sind aber keine Märkte in diesem Sinne, weil dort die korrigierende Selbstregulierung (negatives Feedback) sich ins Gegenteil verkehrt, in die sich aufschaukelnde Selbstzerstörung (positives Feedback). Dies ist bisher so gut wie unerkannt geblieben. Das Finanzsystem bringt sich dadurch regelmässig selbst um. Wenn man das versteht, sind neue Lösungen möglich. Mit den biherigen geht das nicht.

          Ein zweiter Punkt ist aber ebenso wichtig: Der Markt genügt längst nicht mehr, denn die Marktsignale, vorwiegend Information über relative Preise und Kosten, ist fast das Unwichtigste, was man wissen muss, um die heute immer öfter nötigen unternehmerischen Entscheide mit Langzeitwirkung zu treffen, wie bei Flugzeugen, Energiewirtschaft, Verkehrsinfrastruktur, Gesundheitwesen usw. Der Markt der ordoliberalen Vorstellung entspricht noch immer den Bedingungen von Adam Smith, den lokalen Gemüse- und Fischmärkten im Schottland des 18. Jhds.

          Zuletzt: Nein, die Sowjetunion hätte weder gerettet werden können noch sollen, aber ein neues Russland wäre mit unseren Methdoden (die wir damals aber in der heutigen potenzierten Wirkkraft noch nicht hatten) nach dem Entscheid von Gorbatschow ultraschnell entstanden und es hätte fast aus dem Stand heraus weit besser funktioniert. Nicht umsonst sind die Chinesen auf oberster Ebene so sehr an unseren Tools interessiert. Im Blog steht etwas mehr dazu.

  3. Moritz Meier

    Lieber Herr Prof. Malik, zwei spezifische Fragen hätte ich noch:

    1. Wieso sind freie (!) Finanzmärkte keine normalen Märkte? Wieso sollten ausgerechnet hier die Selbstregulationsmechanismen versagen? Dass dies im 20. Jahrhundert wiederholt geschehen ist, liegt m.E. nicht in der Natur von Finanzmärkten per se sondern ist ein unmittelbares Resultat umfassender Pervertierungen des Marktgedankens. Ursache dafür wiederum ist das Papiergeldsystem, bei dem Geld im klassischen Sinne vollständig abgeschafft und durch (unlimitierten) Kredit ersetzt wurde. Dass ein solches System hochgradig instabil ist, versteht sich von selbst – mit einem generellen Defekt des Finanzmarktes hat dies m.E. aber nichts zu tun.

    2. Dass Unternehmen zum erfolgreichen Agieren in heutigen Märkten viele Informationen brauchen, ist unbestritten. Ich kann jedoch keinen grundsätzlichen Unterschied zu Märkten des 18. oder 19. Jahrhunderts erkennen, sondern lediglich einen graduellen. Vor allem führt die gestiegene Komplexität doch gerade dazu, dass zentrale/politische Entscheidungen umso schlechter funktionieren und man gerade deswegen auf die vielfältigen Marktsignale angewiesen ist. Übersehe ich hier etwas?

    • F. Malik

      Zu 1: Je höher ein Real-Gut im Preis steigt, desto mehr sinkt die Nachfrage und umgekehrt. Je höher aber eine Aktie steigt, desto mehr Leute wollen diese Aktie kaufen. Je mehr sie sinkt, desto mehr Leute werden diese Aktie auf den Markt werfen. Das ist nicht eine Pervertierung des Marktes, sondern es ist ein anderes System.
      Zu 2: Die Alternative zum Markt sind nicht unbedingt zentralpolitische Entscheidungen. Sondern es sind gänzlich andere Formen des Navigierens und der Strategie von Unternehmen. Der heutige Strompreis ist für die Entscheidung, Kraftwerke zu bauen, die 10 Jahre im Bau sind und danach 50 Jahre Strom liefern müssen, völlig bedeutungslos. Die Manager, die diese Entscheidung zu treffen haben, müssen auf ganz andere Dinge schauen, über die sie am Markt kaum Info bekommen.
      Gestiegene Komplexität spielt dabei eine Rolle, ebenso internationale Vernetzung, sich selbst verstärkende Dynamik usw. Dies sind wesenmässig andere Systeme als die früheren Märkte.

      • Stefan Ludwig

        Sehr geehrter Herr Prof. Malik,

        ihre Antwort auf das Posting von Moritz Meier entspricht meiner Wunschvorstellung wie ERKLÄRENDE und BEGRÜNDENDE Antworten aussehen sollten in nahezu idealer Weise. Die Antwort auf 1 mag vielen Lesern trivial erscheinen. Für mich ist es nicht trivial durch die Ergänzung (der Aktienmarkt) „ist ein anderes SYSTEM“

        Die Anwort zu 2. gibt ein sehr schönes einfach nachzuvollziehendes Beispiel. Ein Blog ist für ausführlichere Beispiele wohl nicht geeignet. Wenn es im Blog nicht geht, dann wünsche ich mir eine andere Form (Kolummne, Lektionen in kybernetischem Management oder ähnliches was genau auf diesem Niveau zu erklären beginnt warum die bisherige Vorgehensweise versagt und wie mit kybernet. Management WIRKLICHE Lösungen gefunden werden können. Mir erscheint dabei besonders wichtig auf einfachem Niveau zu beginnen und von dort ausgehend schon deutliche Höhen zu erklimmen. Sozusagen ein Kletterkurs der auf Bergwiesenpfaden beginnt und an mittlere Schwierigkeitsgrade im Bergsteigen heranführt.

        Mit freundlichen Grüßen

        Stefan Ludwig

        • F. Malik

          Lieber Herr Ludwig, Ihr Interesse kann ich verstehen, nur fehlt mir die Zeit, selbst noch eine weitere Plattform zu betreiben. Dafür bitte ich Sie Verständnis zu haben. Es ist fast alles publiziert, sei es in meinen Büchern oder in den monatlichen Managementletter. Und die Lösungen wenden wir ja täglich in Organisationen an. Weshalb ich aber keine Namen nenne (nennen darf) habe ich schon mehrfach dargelegt. Die Fragen, die inbesondere mit unseren Syntegrationen gelöst werden, sind besonders in Unternehmen vertraulich.

      • Moritz Meier

        Ad 1: Wenn ich vom Finanzmarkt spreche, meine ich vor allem das Geldsystem als Ganzes. Und da gibt es über den Zinssatz ein sehr markttypisches und – wenn nicht manipuliert – gut funktionierendes Anreizsystem. Der Verlauf von Aktienkursen ist auch kein anderer als der jeder normalen „Handelsware“: Der Kauf auch zu steigenden Preisen erfolgt immer in der Hoffnung, zu einem späteren Zeitpunkt zu einem höheren Preis verkaufen zu können. Dabei mag es gelegentlich zu Overinvestments kommen – wenn man das zugrundeliegenden Geld nicht manipuliert ist (durch bewussst geschaffene Inflation und politisch = willkürlich gesetzte Zinssätze), erledigen sich solche Bubbles schnell und bleiben ohne ernste Folgen.

        Ad 2: Ok, in der Tat hat die Komplexität eine andere Dimension erreicht. Der heutige Preis zählt deswegen weniger, weil es vor allem auf den Preis in der Zukunft ankommt und der schwer zu prognostizieren ist. Das jedoch ist und bleibt die Aufgabe des Unternehmers, der besser werden muss. Die Politik aber ist in diesem Setting kein Teil der Lösung sondern ein Teil des Problems.

        • F. Malik

          Zu 1 sehe ich anders. Die Gross-Crashes treten regelmässig auf – etwa alle 70 Jahre, unabhängig davon, welche Ökonomie gerade vorherrschte. Man kann die Aktien- und auch grossteils Futuresmarkets nicht verstehen, mit ihren Leverageeffekten, Margin-Mechanismen usw., wenn man sie nur aus der Sicht der Handelsware betrachtet. Menschliche Gier, auf Kredit finanzierte Sachwerte, die Selbstbeleihungsphänomene des Kreditsystems usw. bringen das System regelmässig zum Kollaps. Diesmal gehören zu den Hauptursachen noch irregeführtes Management durch Shareholder Value, Bonussysteme mit artithmetische Ankettung an Finanzkenntziffern etc., die zur geschichtlich grössten Fehlallokation ökonomischer und sozialer Ressourcen geführt haben. Die jetzt als notwendig erachteten Rettungsmassnahmen verschärfen die Krise.
          Übrigens konnte ich dieses System und seine Kybernetik schon in den 1990er Jahren modellieren. Von rund 80 Feedbackschlaufen waren rund 75 aufschaukelnd, also systemzerstörend. Damals hätte man das noch ohne grosse Schmerzen ändern können. Ab 2000 lief das System korrekturresistenz aus dem Ruder.

  4. Moritz Meier

    Gewisse Zyklen sind m.E. normal und weder schädlich noch zu vermeiden. Sie sind das normale Ergebnis menschlichen Handelns, das nun mal in einem gewissen Grade auch mit Fehlern behaftet ist. Problematisch wird es dann, wenn der Boom künstlich befeuert und verlängert wird. Gerade die Great Depression in den USA ist hier ein wunderbares Beispiel: Vorherige Rezessionen waren milder, die Korrekturen zwar scharf, aber in ein oder zwei Jahren ausgestanden.

    Was wir derzeit erleben, ist m.E. ohne historisches Beispiel: Seit gut 100 Jahren fand eine historisch beispiellose Aufschuldung statt, die in den letzten 40 Jahren seit dem Wegfall jeglicher monetärer Restriktionen nochmals eine neue Dimension erreicht hat. Ein solch langer künstlicher Boom war zu früheren Zeiten schlicht nicht möglich, hier setzte das Geld eine natürliche Grenze, die es heute nicht mehr gibt. (Das gilt insbesondere auch für alle Finanzderivate, die sich nur in einem solchen Umfeld derart vermehren konnten.)

    Auch der Finanzmarkt kann als selbstregulierendes System funktionieren – wenn man ihn nur lässt. Bailouts, „too big to fail“, „systemrelevante“ Banken sind der falsche Weg.

    • F. Malik

      Ich spreche nicht von „gewissen“ Zyklen, sondern von ganz bestimmten. Und diese sind so bösartig, wie Krebs. Die Deflation der und Depression der 1930er war natürlich nach 2 Jahren keineswegs ausgestanden, sondern hat schnurgerade in den 2. Weltkrieg geführt. Auch dass früher solche Booms nicht möglich waren, stimmt nicht. Es gab die Südseespekulation und das Tulpenzwiebeldesaster. Beide haben zu langer Depression und Verarmung grosser Bevölkerungsteile geführt. Die Überschuldung Frankreichs unter Ludwig XVI. hat zur französischen Revolution und zu den Napoleonischen Kriegen geführt. So leicht kann man die Dinge also nicht als „normal“bezeichnen, ausser man schliesst in diese Normalität all diese menschlichen Katastrophen mit ein.

      • Moritz Meier

        With all due respect: Ich denke, die angeführten Vergleiche hinken.

        Frühere Spekulationsblasen wie die berühmt-berüchtigte Tulpenzwiebel-Spekulation waren kleiner, typischerweise regional begrenzt, schnell wieder vorbei und vor allem eines: Sie waren nicht oder nur bedingt durch eine Kreditexpansion ausgelöst.

        Die „Great Depression“ hingegen war die erste große, weltweite Depression/Deflation unter dem Regime der Notenbanken in einem (Teil-)Papiergeldsystem. Die Great Depression wurde (nachzulesen z.B. bei Murray Rothbard) durch die Geldpolitik der Notenbank ausgelöst – und durch deren Handeln verlängert. Bezeichnend ist, dass es in den USA in den Jahrzehnten davor eine Reihe durchaus ernsthafter deflationärer Phasen gab, die aber jeweils schnell und hart korrigiert wurden.

        Die heutige Situation ist m.E. zudem singulär, weil wir nicht nur in einer Zeit unglaublich aufgeblähter Kredite leben, sondern de facto Geld abgeschafft und komplett durch Kredit ersetzt wurde, ein Platzen der Blase also Konsequenzen haben wird, die über alles hinausgehen, was wir in der Vergangenheit in vermeintlich vergleichbaren Situationen gesehen haben.

        • F. Malik

          Herr Meier, ja, ich kenne die Geschichte. Viele werden Sie nicht finden, die die Finanzgeschichte besser studiert haben, als ich. Deshalb kann ich über die heutige Dünnbrett-Bohrerei nur lachen oder weinen … Falls Sie meine monatlichen Management Letters kennen, finden Sie dort auch einiges zur Zusammenbrauung des Perfect Storms. In meinem jüngsten Buch über „Strategie“, Band 3 der Serie Komplexität meistern, finden Sie den neuesten Stand, auch über die Zyklen, vor allem aber über meine Lösungen.

  5. kohlmann

    Zwischenkommentar, der vielleicht hilfreich ist: ich denke, dass gerade viele systemtheoretiker nicht-ontologisch denken. d.h., dass bspw. der begriff wert nur relational definiert werden kann. es gibt also nichts, dass per se einen wert hat. es hängt immer alles an den präferenz- und erwartungsstrukturen der akteuere. für den aktienmarkt siehe keynes‘ beauty contest. für die typischen investitionsgüter-anlageklassen immobilie, geld, gold, aktien, sonstige sachwerte gilt das auch. wenn man nur geld hält, spekuliert man auf eine bestimmte entwicklung der präferenz- und erwartungsstrukturen und denkt praktisch deterministisch. sicher ist aber, dass auch alles anders kommen kann (kontingenz der soziokulturellen evolution). ich denke es ist klüger zu diversifizieren und deterministisches denken abzuschalten, nicht zuletzt weil man auch selbst kein externer beobachter ist, sondern ein akteur in einem spiel, dass immer schon stattfindet, in das man reingeworfen wurde und dass man selbst mitbestimmt.

    • F. Malik

      H. v. Foerster hat das mit der Theorie der Rekursion und des Eigenwertes recht gut gelöst.

  6. kohlmann

    heinz von foerster würde das den blinden fleck nennen. jeder der prognosen liefert hat die grundparadoxie der welt und seiner selbst schon entparadoxiert, und das ist gut so, denn sonst gäbe es nix ausser unendliche reflexionsschleifen und damit stillstand. trotzdem sollte man das immer in hinterkopf haben. es ist dieses sich nicht selbst beim beobachten beobachten zu können. genau aus diesem grund wäre ich sehr vorsichtig mit prognosen. nur alteuropäische denker, also ontologische denker, gehen eigentlich noch so vor. bauen sie die ontologie aus, ist automatisch auch die daran pfadabhängoig anschließende epistemologie weg. das wäre schön, denn dann würden alle mal erkennen, dass die ständig unhinterfragt die unterscheidung mensch/welt voraussetzen und dazu noch davon ausgehen, dass der mensch die welt im hirn abbildet und berechnen kann. ich halte das alles für eine rießige konstruktion. klar brauchen wir konstruktionen, aber die können auch anders sein: siehe asien (die leider schon stark durch uns zwischengeprägt wurden).

    • F. Malik

      Was der eine kraft konstitutiver Blindheit nicht sieht, kann der andere sehen und so sehen beide gemeinsam auch dass, was jeder von ihnen nicht sehen kann.

  7. kohlmann

    nur dass der eine es dem anderen nicht mitteilen kann, weil der andere ihm nicht glaubt und sich beide gegenseitig bis ins unendliche ihre jeweiligen blinden flecke aufzeigen wollen und jeder weiß, dass er weiß, dassder andereweiß, dass er weiß, dass der andere weiß .. :-),, den blinden fleck wird man nicht los, bloss weil man zu zweit ist. ihn auflösen zu wollen ist das prinzip, durch das dann überhaupt etwas entsteht(sinnwelt, gesellschaft). wäre er auflösbar, wäre die ganze sinnwelt und gesellschaft verschwunden. am bestenkann man sich das noch so vorstellen: alles sitzen ruhig rum und schwälgen im nirvana bis zum phys.-biolo. tod (auch die tiere). dann würde keine weltmehr existieren, weil es keinen beobachter mehr gibt, für den sie existiert. diesen beobachter, also uns, hat die welt selbst hervor gebracht, er ist also die welt selbst, d.h. dass sich die welt selbst beobachtet. siekann sich abernicht erkennen, weil sie nichts ausser sich hat, an demsiesich von sich selbst unterscheiden könnte. Dies ist das grundprinzip der welt, nach dem goethes faust suchte,der anfang und das ende.

    • F. Malik

      Trotz all der möglichen Unmöglichkeiten findet dennoch ständig erfolgreich funktionierende Kommunikation statt. Dies ist für mich das wirklich Erklärungsbedürftige: Warum es nicht geht, ist einfach und trivial. Warum es aber geht, finde ich weit spannender und um ein Vielfaches wichtiger, denn darauf lassen sich Lösungen aufbauen. Und daraus wiederum ergibt sich die so wichtige politische und managerielle Haltung: Was kann ich selbst tun, damit es es geht …?