Führungskrise wegen Gewinnwarnung …

F. Malik am Sonntag, 28.07.2013 um 11:00 Uhr
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In den Medien steht, bei Siemens breche eine Führungskrise aus, weil der Vorstansvorsitzende die Gewinnziele zurücknahm. Ob dies die einzige Ursache ist, bleibt allerdings offen.

In den folgenden Monaten und Jahren werden Gewinnwarnungen aber der Normalfall sein. Gewinnprognosen überhaupt zu machen, wird ein rasches Ende finden, denn was soll man in den Turbulenzen einer unberechenbaren, globalen Krisenlage prognostizieren? Wer es wagen wird, wird schon allein dadurch unglaubwürdig. Siemens ist hier nur ein frühes Bespiel … Die meisten Top-Führungskräfte wissen das und geben daher nur ungern solche Progosen ab, müssen sich aber dennoch weiterhin dem Druck der Finanzmärkte beugen.

Der Zwang zu Gewinnprognosen ist eine der unheilvollen und letztlich wirtschaftszerstörenden Entwicklungsfolgen der angelsächsischen Shareholder Value-Doktrin. Selbst wenn die Gewinne Höchstmarken erreichen, aber unterhalb der Gewinnprognosen bleiben, werden die Unternehmen durch sinkende Aktienkurse für ihre unternehmerischen Leistungen abgestraft.

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19 Kommentare

  1. Christian A. Wittke

    … nun geht dem Ausverkauf von know-how and labour die Puste aus…

    • F. Malik

      Siemens steht, wie die meisten Unternehmen weltweit, vor einem gewaltigen, tiefgehenden Umbau.
      Diesen nenne ich „Die Grosse Transformation21“, worüber ich bereits 1997 in meinem Buch über „Corporate Governance“ geschrieben habe. Die Anfänge sind vor vielen Jahren schon erkennbar gewesen, wurden dann vom scheinbaren Erfolg der Finanzmärkte übertüncht, und brechen jetzt voll auf.

  2. Jürgen Clasen

    Man ist versucht 7 Todsünden zu formulieren. Nur, das wird nicht reichen und ich bin mir nicht sicher, ob die zehnfache Menge hinreicht. Meine persönliche Nr.1, will ich an dieser Stelle kurz erwähnen. Es ist die Unterordnung der Geld- gegenüber der Fiskalpolitik. Damit haben die politischen Vampire die Blutbank übernommen und verdecken das mit Blutersatzlösungen. Gewinnwarnungen führen immer zu Kursrückschlägen, wenn die Anleger in optimistischer Weise überinvestiert sind. Wir haben durchaus schlechte Nachrichten in einem DAX Umfeld gehabt von 3600 Punkte die dennoch zu höheren Kursen geführt haben. Nur, da waren die zittrigen Hände draußen und haben fassungslos dem Geschehen zu gesehen. Bei Siemens tritt zu Tage, das technische Entwicklungen nicht mehr die erste Geige spielen, sondern, um es übertrieben zu sagen, Survivaltrainings und ähnliches sekundäres Zeug. Löscher wird gegangen und nimmt eine Millionenabfindung mit, wie viele andere zuvor. Die Putze, die eine Scheibe Wurst aus dem Abfall klaubt, wird abgemahnt, gekündigt. Man kann alles nicht mehr glauben, was sich an Absurditäten ansammelt. Schlaglöscher überall…auf unseren Straßen sowieso…

    • Nicolas van Orten

      @Herr Clasen:den Begriff“Putze“ finde ich persönlich erniedrigend und ich hätte das anders ausgedrückt.Aber auch sonst ist Ihr Kommentar nicht korrekt da hier vertraglich Vereinbartes mit Diebstahl gleichgesetzt wird.

      • Jürgen Clasen

        Löscher wie auch Schrempp und Schultz haben Mrd Gräber ausgehoben.
        Da sind nur die Industriekonzerne drin. Von Finanzkonzernen
        wie HRE, IKB, Landesbanken habe ich noch garnicht gesprochen. Mit meinem Kommetar habe ich mich, wie jederman erkennen kann, vor die Reinigungskräfte und sonstige Hilfskräfte gestellt, die wegen echter Lapalien juristisch belangt wurden. Das gerade zeigt doch die Fehleinstellung in unserer Gesellschaft. Die feinen Herren
        machen sich aus dem Staube mit fetten Pensionen und Abfindungen und haben es mit ihrem Einfluss es meisterhaft verstanden das solche Schoten juristisch eben nicht zu Beanstandungen oder gar Anklagen führen und dem Michel als vertragkonform unter die Weste gejubelt werden. Selbst, wenn z.B. die Basisfirma tief in der Krise steckt, besteht man als ehemaliger Vorstand darauf, das ihm ein von der Company bezahlter Fahrer zusteht! Putze, nehme ich zurück, ist aber geläufiger Begriff im Kohlenpott, von wo aus meine Zuschriften kommen. Rau, aber herzlich. Schimanski wird niemals ersnthaft das Wort Reinigungsfachkraft über die Lippen kriegen…wird diese Figur mit pc reingewaschen, ist die Serie tot. Es eben was faul im Staate Dänemark!

        • F. Malik

          Für eine gewisse Balance in der Betrachtung möchte ich doch hinzufügen, dass die allermeisten Personen, die Sie direkt nennen und indirekt meinen, ganz getreu dem jeweiligen Zeitgeist handelten. So hatten sie es im Studium gelernt, so wurde es von vielen Beratern empfohlen, dafür wurden sie von vielen Medien gerühmt und viele Jahre standen sie als leuchtende Beispiele weiterer Studenten- und zukünftiger Managergenerationen vor Augen. Da war nur wenig absichtsvoll schädigendes Handeln zu verzeichnen. Es war eine Zeit der kollektiven Irrtümer, die man als solche nicht erkannte. Wenn wir es auch von dieser Seite her betrachten, haben wir die besseren Chancen, auch gute und nachhaltige Lösungen zu finden.

  3. NJPuls

    So sieht eine Gewinnwarnung im Klartext aus:

    „Update 25.07.2013: Siemens geht für sein Unternehmensprogramm „Siemens 2014″ überwiegend aufgrund geringerer Markterwartungen nicht mehr davon aus, bis zum Geschäftsjahr 2014 eine Ergebnismarge der Summe Sektoren von mindestens 12 Prozent zu erreichen. Die strukturellen Maßnahmen zur Portfoliooptimierung und Kostensenkung sind weitestgehend auf Kurs“.

    Quelle: http://gisweb.vwd.com/mel/kurse_einzelkurs_portraet.htn?u=128&i=108179&aktiv=aktien&kunde=10100ext

    … Ergebnismarge … nicht mehr mindestens 12 Prozent zu erreichen ! …

    Vor was wird da gewarnt?

    „Zwei Drittel seines 78-Milliarden-Euro-Umsatzes macht der Konzern heute in gesättigten Märkten, in denen kein Wachstum mehr zu erwarten ist. Es gilt, endlich neue Geschäftsfelder zu erobern“.

    (Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/kommentar-zum-fuehrungswechsel-bei-siemens-a-913538.html).

    Aha.

    Ist das nur ein Problem von Siemens? Kann es sein, dass Herrn Löscher demnächst ein paar Topvorstände folgen werden?

    Aber reicht das: innovative technische Lösungen brauchen viel F & E = Zeit.

    Oder: top-F&E-performance, wie sie mit kybernetischen Mitteln machbar ist.

  4. Jürgen Clasen

    „Palim, Palim!“ und schon wurde K+S verdampft. Dabei ist dieser Verbrennung noch nicht einmal eine echte Gewinnwarnung vorangegangen. Eher würde ich schon eine Manipulation als Auslöser sehen. Aus Russland… Nun, die Älteren wissen, wie es da zugeht. Russland ist groß und Moskau ist weit… Unwissend auch all jene, die glauben sie könnten sich mit Stops absichern. Bestimmt sind auch bei den Derivaten auf K+S die Sicherungen
    durchgebrannt. “ Ein Handel mit diesem Papier ist zur Zeit nicht möglich „… Wie ich anderer Stelle schon ausführte, kann ein weiterer Verfall an der Rohstoffbörse, z. B. beim Cu, böse Überraschungen für die
    bekannten big player in diesem Sektor bringen. Ach, Rheinmetall kam heute
    auch wegen Gewinnwarnung in den Reißwolf. Nur der Index bildet das Desaster nicht ab. Im Gegenteil, steigt sogar noch… Wartet nur ein Weilchen. dann kommt auch hier das Hackebeilchen…

  5. Stefan Ludwig

    Sehr geehrter Herr Malik,
    Ich erlaube mir im neuesten Thread zu antworten obwohl meine Frage nicht direkt mit dem Thema zu tun haben.

    Zwei Fragen: Daniel Stelter schlägt im Manager-Magazin einen kontrollierten Schuldenschnitt vor. http://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/a-823204-2.html
    Was halten sie von diesem Vorschlag?

    Sie selbst sagen durch die flächendeckende Anwendung von Syntegration VSM und kybernetischem Management sind ungeheuer große Effektivitätssteigerungen möglich. Kann man abschätzen ob die nahezu vollständige Realisierung dieser Potentiale in allen 27 Staaten Europas die Schuldenprobleme der EU-Staaten lösen würden?

    • F. Malik

      Zu Ihrer zweiten Frage: Ja, das würde die Schuldenprobleme lösen. Zwar gäbe es zusätzliche Arbeitslose, für die die Regierungen anständige und humane Lösungen finden müssten. Die hocheffektiven neuen Organisationen würden jedoch enorme Leistungen erbringen, die solche Lösungen auch ermöglichen.
      Heute wird das optimale Funktionieren behindert durch veraltete Denkweisen, durch längst überholte Gesetze und verkalkte Strukturen. Dies geht tief in so gut wie sämtliche gesellschaftliche Bereiche hinein – Universitäten, Krankenhäuser, Wirtschaftsunternehmen, Verwaltung usw. Zwar haben wir heute das beste Wissen und die grösste Intelligenz in den Köpfen und Händen von bestausgebildeten Menschen, aber diese können ihre Potenziale in den heutigen Organisationsstrukturen bei Weitem nicht ausreichend entfalten. Es ist als würde man moderne Automotoren als Antriebe in Pferdefuhrwerke einbauen.

      Zu Ihrer ersten Frage: Ein Schuldenschnitt löst die Probleme nicht und ist auch technisch kaum vorstellbar, weil die Schulden derart verästelt in alle Lebensbereiche hineinreichen, dass niemand sagen kann, welche Folgen dabei entstehen. Zwar werden viele Schulden letztlich nicht bezahlt werden, aber das ist etwas ganz anderes, als ein – gar regierungsseitig – verordneter Schulden-Schnitt.

      Die erste Lösung macht die Schulden hingegen weitgehend bedeutungslos, weil eine wiedererstarkende Organisationsstruktur viel produktiver arbeitet und daher auch das Eigentum stärkt und damit die Sicherheiten für die Gläubiger. Die deutschen Kriegsschulden wurden durch den Lastenausgleich über mehr als 30 Jahre abgetragen, was aber wegen des fast unmittelbar einsetzenden Aufschwungs jedes Jahr leichter zu verkraften war. Dies Schulden waren nominell weiterhin da, aber sie spielten immer weniger eine Rolle.

  6. Thomas Moroder

    Gewinnprognosen dienen an der Börse heutzutage leider meistens nur dazu, das Börsen-Spiel bestimmter Investoren (den Typ von Investor den Prof. Malik mehrfach beschrieben hat, der sich eigtl. nur de jure Gesellschafter ist, aber kein echtes Interesse an der Gesundheit des Unternehmens hat) und der Wallstreet-Community mitsamt Analysten aufrecht zu halten.

    Kann ein Unternehmen die Prognose nicht halten oder gar übertreffen oder den notwendigen „Buzz“ erzeugen, finden sich keine neuen Investoren, welche die Aktien-Notierungen noch weiter in die Höhe treiben und den o.g. Investoren einen Ausstieg mit Gewinn ermöglichen.

    Ein Artikel auf Mark Cuban’s Blog ist dazu sehr interessant:
    http://blogmaverick.com/2013/01/10/the-stock-market-2/
    (ich bin sonst kein besonderer Fan, aber den Artikel finde ich gut!)

    Sobald die künstlich hohe Liquidität von den Zentralbanken zurückgefahren wird, wird es auch schwieriger eine Finanzierung für weitere Aktienkurs-Steigerungen zu finden.

  7. W.Pfeifenberger

    Was mir immer wieder bei Börsenberichten auffällt, ist der nonchalante Umgang mit Ursache und Wirkung. Da hält man zeitliche Koinzidenzen für Ursachen und Voilà hat man in Sekundenschnelle den Schuldigen. Das erinnert doch sehr an einen pathologischen Glücksspieler, den ich im Rahmen meiner Arbeit mal gefragt habe, warum er nicht Lotto, sondern an Automaten spiele. Antwort:“Beim Lotto kann ich nichts beeinflussen.“ Man kann also voraussagen, dass bei zunehmend volatilerem Börsengeschehen die Begründungen für diese oder jene Kursentwicklung immer abenteuerlicher werden.

    • F. Malik

      Die monokausale Ursache-Wirkungs-Beziehung ist bei vielen Menschen ein fester Bestandteil ihres Denkens und ihrer Welterklärung. Für die hochkomplexen Finanzmärkte ist diese Erklärungsweise gefährlich falsch. Da sie mit der ganzen Wucht heutiger Medien verbreitet wird, bleiben diese Märkte und Systeme für die meisten Menschen unverständlich – wie komplexe Systeme es eben sind.

      • Karl Heinz Schery

        Kennen Sie die nette Geschichte vom König, der einige Blinde einen Elefanten abtasten läßt und sie um ihre Ansicht über das Gefühlte befragt? Der erste fühlt einen der langen Stoßzähne und meint, der Elefant sei wie eine riesige Rübe. Der zweite betastet ein Ohr und sagt, der Elefant sei wie ein großer Fächer. Der dritte spürt den Rüssel und erklärt, der Elefant sei wie der Stößel für einen Mörser. Der vierte umschließt zufällig ein Bein und erklärt den Elefanten zu einem Mörser. Der fünfte erwischt den Schwanz und spricht: Der Elefant ist wie ein Seil…
        Erfreulicherweise gibt es diesen Blog mit vielen Kommentaren, die helfen den ganzen Elefanten zu erkennen.

        • F. Malik

          Das Gleichnis kenne ich gut und seit Langem. Wer sich mit ganzheitlichen System je befasste, ist unweigerlich darauf gestossen. Schön, dass Sie es hier in den Blog bringen. Es ist ein lehrreiches Bild für die Art, wie die heutigen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sich im Glauben sonnen können, sie würden mit ihrer unsystemischen Denkweise irgendetwas über die Wirklichkeit herausfinden können. Leider nehmen die Medien in Ermangelung von besserem Wissen dieses Stückwerks-Denken auf und so verbreitet es sich. Dennoch denke ich, dass gerade die anhaltende Krisenzeit diese Art von Schein-Wissenschaft zu ihrem Ende bringen wird, denn anhand der Ökonomie sieht man ja, dass sie nichts zu erklären vermag und daher auch nicht etwas zu verbessern.

  8. David Ruprecht

    Sehr geehrter Herr Prof. Malik
    In der heutigen NZZ stand sogar, dass der Vorstandschef zurücktreten musste, weil er die Komplexität des Unternehmens nicht mehr bewältigen konnte. Deutlicher kann man ja kaum noch werden.
    Es würde mich sehr freuen, in der NZZ, soweit das geht, einen Beitrag von Ihnen zu lesen. Ich bin sicher, dass dies ein Medium ist, welche von entsprechenden Entscheidungsträgern in der Schweiz noch oft gelesen wird (und in meinen Augen die beste Zeitung in der Schweiz).
    Weiterhin wünsche ich Ihnen viel Erfolg!

    • F. Malik

      Das ist einer der in der NZZ – und überhaupt in den Medien – noch sehr seltenen Hinweise auf die Komplexität und die Unfähigkeit, diese mit heutigen Denkweisen und auch Systemen zu meistern. Die NZZ ist fraglos eine der besten und einflussreichsten Zeitungen, da stimme ich zu, und wird es hoffentlich bleiben. Allerdings hat sie gerade mit dieser Reputation in der Schweiz zwei Jahrzehnte lang falsches Mangement propagiert. Der Shareholder Value, Börsenwertsteigerungen und Gewinnmaximierung standen in den 1990ern und noch deutlich darüber hinaus ganz hoch im Kurs, und Manager, die dem nicht entsprechen konnten, fielen rasch in Ungnade bei der NZZ, was man damals kaum „überleben“ konnte. Ohne die damalige Linie der NZZ hätte das erste Debakel des Finanzplatzes von 2000 bis etwa 2004 kaum so geschehen können. Unter dem früheren Wirtschaftsredaktor Willi Linder wäre die unkritische Lobhudelei für das angelsächschische Wirtschaftsmodell kaum denkbar gewesen. Danach kam eine Ära, in der praxisfremde Ökonomen ihre blutleeren Theorien ungehindert zum Massstab des unternehmerischen Wirtschaftens machen konnten. Es war eine dogmatische Zeit, in der kritische Stimmen nicht „zugelassen“ waren.

      • David Ruprecht

        Da bin ich völlig mit Ihnen einig. Umso wichtiger ist, dass gerade die NZZ mit bisherigen Fehlannahmen und falschen Management-Theorien im Kommentar-Bereich aufräumt. Der Glaubwürdigkeit dieser Zeitung kann dies nur zugute kommen.

        • F. Malik

          Es braucht Bollwerke in der Medienlandschaft, auf die man sich verlassen kann. Die NZZ hat dafür eine lange Tradition und war zurecht international ein respektiertes Vorbild. Ich denke, sie ist wieder auf dem richtigen Weg, aber noch nicht am Ziel.