Das grosse Täuschungspotenzial von Bearmarket-Rallies

F. Malik am Samstag, 08.02.2014 um 13:40 Uhr
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Für die Schärfung seiner Urteilskraft sollte man ein bisschen etwas wissen über die ungeheure Täuschungskraft von früheren Bearmarkets:

Nach dem Crash im Oktober 1929 von 400 Punkten DJ auf 200 Punkte gab es bis April 1930 eine Erholung auf 300 Punkte. Danach folgte bis 1932 der grosse Absturz bis auf 40 Punkte. Aber dieser war nicht geradlinig, sondern unterbrochen von explosiven Aufwärtsbewegungen.

Bis zum Ende 1932 bei 40 Punkten gab es insgesamt noch 7 rasante Kurserholungen, die immer neue Hoffnungen schufen. Diese hatten ein tödliches Täuschungspotenzial, denn die Kurse stiegen im Durchschnitt um jeweils rund 25% – oft wie ein Feuerwerk – und dauerten durchschnittlich 40 Tage. Die längste Erholung dauerte fast 80 Tage und die stärkste Erholung betrug rund 40%. Jedesmal führten diese Erholungen aber zu weiteren Kollapsen. Der Absturz ging von 1929 bei rund 400 Punkten Dow Jones und endete 1932 am Tiefstpunkt von 40 Punkten, also mit rund 90% Verlusten.

Noch wichtiger zu wissen ist es aber, dass es auf dieser gesamten Talfahrt in eine der grösste Depressionen von den berühmtesten Ökonomen der damaligen Zeit keine einzige Bearmarket-Warnung gab,  sondern nur Bullish-Meldungen – allen voran von der legendären Harvard Economic Society und den besten Wirtschaftszeitungen der Welt. Der US-Präsident und seine Minister, sowie die grössten Banker verkündeten alle paar Wochen, dass der Markt nun seinen Boden gefunden habe, und zwar keineswegs als Zweckoptimimus, sondern sie glaubten es. Sie beurteilten die Lage vollständig falsch.

Auch heute sind die meisten Ökonomen, Experten, Trader und Kommentatoren weiterhin bullish. Kurserholungen wie die von vergangener Woche bestätigen sie in ihrer Meinung, dass sie Recht haben.

Mit Kenntnis der geschichtlichen Tatsachen tut man sich etwas leichter, sich sein eigenes Bild zu machen.

 

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18 Kommentare

  1. Jürgen Clasen

    Nüchtern gesehen, müssen wir abwarten, ob die jüngste Abwärtsbewegung nicht schon wieder hochgezogen- und möglicherweise durch neue Allzeithochs zur Makulatur wird. Weil das in den letzten Jahren immer wieder passiert ist, sollte man sehr vorsichtig Short gehen, wenn überhaupt. Sicherer wird die Sache, wenn wir die 100 Tagelinie und dann auch noch die 200 Tagelinie nach unten durchbrechen. Die Gegenbewegungen sind in ihrem Auftreten und zeitlichen Rahmen nicht bestimmbar. Also nicht gleich nachkaufen, sondern erst mal abwarten. Es scheint auch offensichtlich System zu haben, das man bei fallenden Kursen den DOW bei Sitzungsbeginn immer wieder absacken lässt und dann wird er systematisch hochgezogen. Verwundert reibt man sich die Augen, wo er dann bei Sitzungsende steht. Bedenken Sie, was bislang über die Manipulationen von großen Playern beim Libor und jetzt auch bei den Wechselkursen herausgekommen ist. Letzte Bastion Aktienmarkt, als Hort eines freien Marktes? Wer es glaubt, wird selig. Zu viele haben an steigenden Aktienkursen ein Interesse und in der Regel werden diese Interessen auch gepflegt.

    • Karl Heinz Schery

      Zu den immer sehr lesenswerten Blogeinträgen von Herrn Clasen passt sehr schön der heutige Artikel von Axel Retz in Börse-Online. Besonders interessant die Charts mit Kommentaren zu DJ, Börsenkrediten und Baltic Dry Index.
      http://www.boerse-online.de/nachrichten/Auch-extrem-laesst-sich-steigern-867569/1

      • Jürgen Clasen

        @Karl Heinz Schery danke! Ihrem Hinweis möchte ich einen weiteren hinzufügen: Abonnieren Sie kostenlos die Marktkommentare von Claus
        Vogt. Eingehende Sentimentbetrachtungen. Allerdings ist er auch ein Permabär und die sehen seit einigen Jahren wie Idioten aus…
        Wenn Sie um die nächste Ecke gehen, kann da ein sehr hungriger
        Bär auf Sie zukommen oder sie sehen einen fetten Bullen grasen.
        Was ist mit China? Die haben 3,5 Billionen $ Dollar gehortet und werden diese Mittel einsetzen fürs eigene Überleben. Was bedeutet
        das für den $, Weltwirtschaft? Der MP von Japan kann auf einen babylonischen Schuldenturm noch was bedeutendes draufsetzen.Irre. Wann geht den Sparer die Geduld aus mit der Mickerverzinsung und sie gehen in den Aktienmarkt? 2000 war mit Valueaktien nichts zu holen. Wir brauchen noch bessere Signale für eine Baisse.
        „Bild“ muss erst berichten, was ein Rentenversicherter heute an Vermögen hätte, wenn seine Beiträge in die Börse geflossen wären. Bekannte und Freunde von mir müssten sagen: „Hörr ma, watt für Akzien sin jetzzt juut?“. Am Rentenmarkt sind horrende Summen gebunkert, die noch umgeschichtet werden können.Legen Sie die Füße hoch und warten ab.

        • Karl Heinz Schery

          Hallo Herr Clasen, danke für den Hinweis auf Claus Vogt, auch er ist mir nicht unbekannt.
          Seit über 3 Jahren habe ich mir die Eigentumsökonomik von Prof.Gunnar Heinsohn und die Deflationsmechanik von Prof. Malik erarbeiten können. Daraus habe ich für mich die Konsequenzen gezogen und gehandelt. Warum sollten wir derzeit auf Aktien setzen, wenn doch dort das Risiko so hoch ist und bei Bargeld klein?
          Für Anleger in Krisenzeiten hat Warren Buffet einen sehr guten Rat parat: Man sollte sich nicht ruinieren lassen. Und wer das nötige Geld und den Mut hat, der hat nach dem Crash die Möglichkeit, Dinge zu Preisen zu kaufen, die auf den ersten Blick keinen Sinn ergeben. Das hat nichts mit Intelligenz zu tun. Sei gierig wenn die anderen Angst haben und ängstlich wenn sie gierig sind, sagt Buffet. Wenn die Welt irgendwann wieder wie 2008 vor dem Kollaps steht, dann muss man bereit sein. Dann braucht man Cash. Geld ist in solchen Zeiten wie Sauerstoff.
          Also sitzten wir wie die Katze voller Aufmerksamkeit vor dem Mauseloch und ergreifen dann die Chancen wenn sie sich ergeben.
          „Geduld ist derzeit das Wichtigste“

          • Jürgen Clasen

            Bleiben Sie flexibel! Wir haben eine Zeitachse aber wir wissen nicht, wann sich hier was gravierendes ereignen wird. Ich warte da schon Jahre drauf und es ist auch viel geschehen. Rauf, runter und wieder rauf. Das ganze Ding an der Börse ist einfach geisteskrank. Da werden ein über den anderen Tag Beträge vom Tisch genommen oder draufgelegt, die ein zwei oder mehr Jahres-dividenden entsprechen. Wir können da noch alles sehen. Anleger sind nicht sehr geduldig. Sie hocken auf großen Sicht- und Anleihekonten. Die Banken nehmen das Geld und tragen es als Angestellte (!), für sie risikolos, zur Börse. Es kann durchaus noch passieren, das den frustrierten Investoren
            noch der Kragen platzt und sie, wie die
            Lemminge um 2000, da noch ein Faß aufmachen.
            Ich bleibe bei meinen Anlageempfehlungen und
            rate mit sehr kleinen Geld zu einem kurs-mäßig zerstörten Shortfaktorzertifikat. Kommt der Aktienhimmel runter holen sie wahr-scheinlich alles nach, was sie scheinbar heute versäumt haben.

            • Karl Heinz Schery

              Ihre Anlageempfehlung entspricht für kurzfristiges Handeln auch meiner Einschätzung. Ich wünsche Ihnen viel Glück.

    • Thomas Moroder

      Kann dem nur zustimmen, wie Prof. Heinsohn schreibt: Was normalerweise schlau und nicht idiotisch wäre, kann es werden, wenn es gegen unendlich tiefe Taschen geht.

  2. Ert

    Neues von Evans-Pritchard: „SocGen bear growls: deflation shock-wave from Asia to trigger global recession“ – Link: http://blogs.telegraph.co.uk/finance/ambroseevans-pritchard/100026574/socgen-bear-growls-deflation-shock-wave-from-asia-to-trigger-global-recession/

    Albert Edwards von SocGen lässt verlauten: „The ongoing emerging market debacle will be less contained than sub-prime ultimately proved to be. The simple fact is that US and global profits growth have reached tipping point and the unfolding EM crisis will push global profits and thereafter the global economy into deep recession.“. Es scheint das sich die deflationären Tendenzen durch die EM fressen (es gibt noch einige interessante Grafiken im Artikel).

    In einem anderen Artikel geht Pritchard davon aus, das die Kapitalzuflüsse in die EM um bis zu 80% einbrechen können, wenn die QE Maßnahmen der FED weiter zurückgenommen werden.

    Spannende Zeiten.. und das zu einer Zeit wo selbst Statoil Kredite aufnehmen will um Dividenden auszuzahlen: http://www.aftenbladet.no/energi/aenergy/Statoil-has-to-borrow-to-pay-dividends-3350483.html – nicht einmal mehr das Energiegeschäft läuft rund, weil die Kosten davonlaufen.

    • F. Malik

      Natürlich spielen die Emerging Markets eine gewisse Rolle – insoweit stimme ich Evans-Pritchard zu, aber sie würden kaum einen Einfluss haben, wenn die führenden Wirtschaftsnationen solide finanziert wären.
      Es ist ein spannendes Spiel zu erwarten, welche Einflussfaktoren noch herangezogen werden, um die Deflationsfalle zu erklären, in die sich der Westen, zuvorderst die USA, selbst hineinmanövriert hat – u. a. durch eine seit Jahrzehnten falsche Ökonomieberatung.

  3. C.A.Wittke

    Man berücksichtige bitte, daß heutige Mittel und Methoden das Beeinflussen der Märkte viel „leichter“ machen;
    Dazu kommen unglaubliche Volumen an „Freien Radikalen“, i.e. Geldvolumen, die von den Zentralbanken nahestehenden Strukturen zur Glättung und Dämpfung, zu Wohl und Wehe eingesetzt werden (können). Aktien oder Währungen, egal!

    Man schaue auf den €/£ Kurs: nach Jahren des annähernd konstanten Abstiegs nun seit vielen Monaten in einem ganz engen Korridor von 1.18 bis 1.21 gehalten, ja festgezurrt. Und nur das rettet(e) Cameron and friends bis dato; nicht verwunderlich, bei >50% Energie- und >50% Nahrungsmittelimport, dem neo-liberalen Ausverkauf der Arbeit und Produktionsmittel und in der Hoffnung auf ja nicht einbrechende Spielgewinne einer immer schneller zockenden City bleibt Freund David auch nur noch gemäßigtes Meckern um die bürokratische Effizienz Brüssels und ansonsten das Werben um Schottland. Alles andere käme dem Mord gleich an den jämmerlichen Resten der britischen Wirtschaft und dem Totschlag an seiner Gesellschaft.

    Es bleibt das Pulverfaß.

    caw

  4. Jürgen Clasen

    Gratulation Herr Prof Malik zu Ihrem neuen Buch „Wie Manager das Optimum aus sich herausholen“. Das Handelsblatt geht ja ausführlich darauf ein:
    http://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/strategie/fredmund-malik-wie-manager-das-optimum-aus-sich-herausholen-seite-all/9465020-all.html
    Daneben ein interessanter Beitrag auf BoerseGo.de,14.02.13:
    „Die bärische Weltanschauung des Harry Dent“
    http://www.boerse-go.de/nachricht/die-baerische-weltanschauung-des-harry-dent,a3663469.html
    Demografische Entwicklung als Motor und Bremse am Immobilienmarkt. Dent räumt aber ein: „Wenn jetzt nicht bald etwas geschieht, wie ein 20-30% Crash am Aktienmarkt, dann entschuldige ich mich. Dann haben es die Regierungen mal wieder geschafft sich Zeit zu erkaufen. Es ist viel schwerer bärisch als bullisch zu sein.“ Wäre interessant, wenn man gegen die Immobilienblase in China /Australien setzen könnte, wie weiland Paulson gegen den amerikanischen „Immobilientraum“ abgeräumt hat. Vielleicht hat hier jemand eine Idee dazu, kleiner Einsatz (Risiko) mit möglichst hohem Ertrag…Erwirtschaftet gegen die Borniertheit Banken (Anleger).

    • F. Malik

      Lieber Herr Clasen, besten Dank für die Gratulation.
      Das Buch heisst Wenn Grenzen keine sind: Management und Bergsteigen. Die Rezension im Handelsblatt freut mich, denn der Rezensent hat gut verstanden, worum es mir in meinen Büchern geht …
      Der Artikel von Harry Dent ist recht interessant.

    • F. Malik

      Wie ich kürzlich hier schrieb, hat damals während der gesamten Talfahrt die Ökonomenzunft positive Meldungen verkündet. Daher konnten die Leute das auch deshalb nicht sehen oder nicht glauben.

  5. Jütgen Clasen

    Nun, Herr Prof Malik, die Indices, in den auch von Ihnen stark beachteten USA, schreiben immer neue absolute Höchstwerte. Aus meiner Sicht waren die Bearmarktrallies dadurch gekennzeichnet, das sie zwar Gegenbewegungen waren, aber in der Regel unter den vorhergehenden Höchstwerten geendet haben. Ist diese Abweichung aus Ihrer Sicht bedeutend oder wie ist das zu erklären. Vom Gesamtsentiment aus gesehen ist die Lage klar explosiv. Es gibt eine Menge Figuren in diesem Spiel die es gerne sehen wenn das Wunder
    Aktienmarkt weiter bestand hat. Die EZB erwägt weiter die Zinsschraube auf noch geringere Werte einzustellen. Damit steigt die finanzielle Repression
    weiter an und die Anleger wissen weder ein noch aus. Sogar die Krim-geschichte kann den Märkten nicht wirklich zusetzen. Vielleicht können Sie
    ja mal Ihre Sicht darlegen.

    • F. Malik

      Am 4. 2. schrieb ich, dass ich nochmalige Aufwärtsbewegungen nicht ausschliessen will, diese aber für viel weniger wahrscheinlich halte als anhaltende Abwärtskurse. Nun haben die Leitindices doch die unwahrscheinlichere Variante gewählt.
      Nun ja. Also ist weiterhin Abwarten angesagt. Starke Kräfte, wie die Notenbanken, sind sicher aktiv, um die Aktien weiter hoch zu halten. Dass sie das auf die Dauer leisten können, halte ich nicht für möglich. Die Stimmung trägt das ihre dazu bei, ist aber – wie Sie sagen – explosiv. So sehe ich das auch.

      • John Rambo

        Die Märkte verfolgen seit über 5 Jahren die aus Ihrer Sicht unwahrscheinlichere Variante – Sie steigen

        Das hat nun mittlerweile auch Herr Clasen bemerkt.

        Der Markt hat immer Recht…

        • F. Malik

          Meine Antwort zu Herrn Clasens Posting habe Sie vermutlich gelesen. , als ginge es nun noch viel weiter nach oben. In den US-Medien erhalten bereits wieder Leute grossen Raum, die Dow 30 000 und auch 60 000 ankündigen.
          Die Faktoren, die ich selbst beobachte, zeigen das gegenteilige Bild. Ich werde dazu heute noch ein Posting machen.