„Überlegungen zu Argentinien“ von Prof. Dr. Gunnar Heinsohn

F. Malik am Samstag, 02.08.2014 um 17:58 Uhr
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Prof. Dr. Gunnar Heinsohn schreibt am 02.08.2014:

„Als Argentinien 2001 Jahren seine Zahlungsunfähigkeit erklärt, geht es um 80 Mrd. Dollar, die man unter englischem oder amerikanischem Recht kontrahiert hatte. Zudem war man tatsächlich zahlungsunfähig.

2014 steht man mit rund 24 Milliarden Dollar Schulden unter ausländischer Gerichtsbarkeit, hat aber rund 30 Milliarden Devisenreserven.

Die 80 Milliarden von 2001 waren vom Volumen her die historisch größte Staatspleite (seitdem von Griechenland mit rund 270 Mrd. € souverän übertroffen), haben aber trotz des gleichzeitigen damaligen Dotcom-Crashs kaum etwas nach unten in Bewegung gebracht – auch weil Argentinien für weniger als 1 Prozent der Weltwirtschaft steht.

Nur falls es jetzt zu Urteilen kommen sollte, dass alle 2001er Gläubiger zu 100 Prozent nebst Zinseszins bedient werden müssen (macht jetzt für die 2 New Yorker Fonds gerade mal 1,3 Mrd. $ aus), ginge es um etliche hundert Milliarden und Argentinien wäre fertig.

Weitgehend untergegangen in der Argentiniengeschichte ist die niedrigste Inflation in der Euro-Zone seit einem halben Jahrzehnt. Trotz aller Inflationierungs-Versuche durch die Zentralbanken (Nullzins. Dreijahrestender, Preistreiben durch Ankauf von Schuldtiteln etc.) bekommt man die Deflation nicht in den Griff. In denselben fünf Jahren ist das Ausleihen von Banken an Euro-Unternehmen immer nur zurückgegangen. Die Firmen sind unfähig zu neuen Schulden und/oder wollen sich mit Preissenkungen durchschlagen. Vor allem die Südschiene (Griechenland, Italien, Portugal, Spanien sowie Irland) ist betroffen. Vor fünf Jahren ging sie noch 20 Prozent aller EU-Firmenschulden ein. Heute sind es gerade mal 12 Prozent („Easy credit conditions are benefiting only the few“, FT, July 31, 2014, p. 12). Dabei haben die fünf Länder mit 132 von 333 Millionen knapp 40 Prozent der Eurozonen-Bevölkerung. Im dynamischsten Kernraum der Zone, also in Deutschland, sieht es beim Marsch Richtung Deflation kaum anders aus, wenn man den Fall der Inflationsrate betrachtet: 2,3 % (2011), 2,0 % (2012), 1,5 % (2013), 0,8 % (Juli 2014). Die Unfähigkeit zur Deflationsverhinderung bleibt das Damoklesschwert über dem gesamten Raum.“

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9 Kommentare

  1. Max Gmür

    Argentinien lehrt uns, dass Staaten (doch) nicht pleite gehen können, im Gegensatz zu Firmen, weil sie juristisch nicht verschwinden und deshalb jederzeit wieder belangt werden können. Oder gibt es Fälle resp. rechtlich verbindliche Verträge zwischen Gläubigern und Schuldnern (nach welchem Recht?), wo das nicht passieren und ein Staat finanziell neu starten kann?

    • F. Malik

      Lieber Herr Gmür, nach meinem Kenntnisstand gibt es (bisher) kein „Konkursrecht“ zwischen Staaten.
      (Aber es ist wahrscheinlich, dass ein solches in den nächsten Jahren entstehen wird.)

      Aber Sie haben sehr schön das Paradoxon aufgezeigt, dass Staaten weiterhin existieren, und daher jederzeit wieder belangt werden können. Dem können sie aber entkommen, wenn sie Gesetze erlassen, die die Haftung für die Schulden früheren Regierungen zuweisen, oder diese schlichtweg verweigern – falls sie militärisch mächtig genug sind.

      Es gibt bzw. gab aber noch eine weitere Lösung: Die Schuldnerstaaten sind erobert worden – mit militärischer Gewalt, und die Bevölkerung wurde versklavt.

      • A.I.

        Dann sind die Staatsschulden der USA im Ausland für dasselbige völlig uneinbringbar.

        Seit dem Ende des Kalten Krieges hat die nukleare Übermacht der USA weiter zugenommen, zumindest relativ.

        Die Russen fahren kaum noch Patrouillen mit ihren U-Booten, die Chinesen sind offenbar in den Anfänger der Technologie, Raketen von unter Wasser abzuschießen (http://freebeacon.com/national-security/three-chinese-nuclear-missile-submarines-photographed-in-south-china-sea/)

        Bei den land- und bombergestützten Atomwaffen ist die Überlegenheit der USA riesig.

        Ist daher das Dollar-System als Welt-Tribut-System an die USA zu betrachten, oder führte das zu weit?

        • Jürgen Clasen

          Die USA haben sich durch die Kuwaitbefreiung bei den Ölarabern qualifiziert als letzte Schutzmacht, die sie raushauen können, wenn diese großen Absahner weggefegt werden sollten. Nur die USA verfügen über genug Marinepower, um in entlegenen Gegenden zu agieren. So sind sie zweifelsohne Schutzmacht der Saudis, die dafür bereitwillig den Ölhahn auf und zudrehen und den $ für den Ölhandel akzeptieren. Die Dollarhegemonie wäre schnell beendet, wenn dieser militärische Untergrund
          erodieren sollte. Wenn der Dollar alleine auf sich selbst gestellt wäre, müsste, wegen der unsäglichen Verschuldung die Ratings runter und wegen der Handelsdefizite auch die Bewertung runter. Ein zahnloser
          Tiger, dem man bedeutet, das er einem den Buckel runter rutschen kann. Krieg im Irak, Afganistan usw, kannste,
          wie auch Sanktionen, alleine veranstalten. Das militärische Element ist entscheidend für den Wert des $.

          • Max Gmür

            In den USA funktioniert, speziell aus Deutscher und Schweizer Optik, vieles mehr schlecht als recht („Drittweltland mit Hightechindustrie“ pflegten wir Alemannen im Silicon Valley zu sagen). Trotzdem, die USA ist mehr als militärische Stärke (der wir Europäer in den letzten rund hundert Jahren ja fast alles zu verdanken haben und wohl weiterhin werden). Wir „staatsgläubigen“ Europäer vergessen leicht, dass Amerika auch seine inneren Stärken hat: http://www.nzz.ch/wirtschaft/der-amerikanische-traum-lebt-1.18355161

            PS: Churchill’s Bonmot trifft immer noch zu: «Man kann sich immer darauf verlassen, dass die Amerikaner das Richtige tun – nachdem sie alles andere ausprobiert haben.»

          • A.I.

            @Jürgen Clasen

            Nicht nur über genug Marine Power. Sie haben auch einen freien Hinterhof ohne Bedrohungen, der keine Truppen bindet (Kanada, Mexiko, Atlantik, Pazifik).

            Gegenwärtig versuchen die Amerikaner, uns über die Vorgänge in der Ukraine wieder einen dunklen Hinterhof zu verschaffen, vor dem wir uns fürchten sollen.

        • F. Malik

          Ich würde das deshalb nicht in einen Zusammenhang stellen, weil man sich damit den Zugang zu einem wirklich zutreffenden Bild des Wirtschaftens versperrt.

  2. Jürgen Clasen

    Südschiene: „EU-Milliarden für Großbank-Rettung“ und die EU die gerade beschlossen hat, dass Staaten erst einmal selbst für ihre Banken einspringen müssen, lässt die missbräuchliche Verwendung einfach geschehen.
    Dabei handelt es sich hier obendrein um eine reine Privatbank und keine öffentlich rechtliches Institut.
    Wir sind in einem Würgegriff von Bänkstern die sich beliebig der politischen Führung bedienen können. Neue Ermittlungen gegen die DB durch die BaFin. Gibt es irgendeine zwielichtige Sache in der diese Bank nicht verwickelt ist und Prozesse am Hals hat? Aha, sie ist systemrelevant und deshalb dürfen wir in einem Default für alles blechen, was die so veranstaltet haben. Wir sind helle genug all diese Vorgänge zu erkennen. Wie auch in GR, wo man die Kontoinhaber mit mehr als 100 000 Euro unter die Lupe nimmt. Ähnliches ist schon zuvor gelaufen. Mit nieder-schmetterndem Ergebnis. Wenige Figuren haben gezahlt oder gebüßt. Diese Griechen und die Argentinier hätten besser unkontrollierbares EM im Tresor. Uns bleibt nur die private Flucht mit hoffentlich klugen Investmententscheidungen.

  3. Schmid, Anton

    Sehr geehrter Herr Prof. Heinsohn,

    danke für Ihre profunde Analyse. Bezüglich Argentinien hätte ich eine etwas breitere Frage. Was wäre für Sie die richtige Richtung für Argentinien in eine solidere Zukunft (geopolitisch, innenpolitisch, wirtschaftlich, sozial etc.)? Es würde mich freuen, von Ihnen zu hören.
    Anton Schmid