Prof. Heinsohns Antwort auf das Posting von Herrn Ludwig vom 1.1.2015

F. Malik am Samstag, 03.01.2015 um 23:43 Uhr
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Hinweis für die LeserInnen:

Im folgenden finden Sie eine ausführliche Antwort von Prof. Heinsohn auf das Posting von Herrn Ludwig vom 1. 1. 2015. Die Antworten von Prof. Heinsohn sind so wichtig und orientierungsstark, dass  ich sie in den Hauptteil des Blogs stelle. Lesen Sie bitte zuerst das Posting von Herrn Ludwig. Herrn Heinsohn danke ich für seine ausführliche Stellungnahme.

F. Malik; 3. 1. 2015

 

Gunnar Heinsohn (02-01-2015)

EIGENTUMSÖKONOMIE, FAZ UND KARL POLANYI

Lieber Herr Ludwig!
Haben Sie Dank für die liebenswürdigen Grüsse zum 2015er Jahr. Ihre Frage, ob die Eigentumsökonomie für die Frankfurter Allgemeine Zeitung womöglich ein alter Hut ist, ist keineswegs abwegig. Denn die FAZ hatte mich schon zur globalen Finanzkrise 2008 eingeladen, eine Analyse für ihre Sonderseite „Ordnung der Wirtschaft“ zu schreiben. Mein Freund und Kollege Otto Steiger (1938-2008) war seit dem 17. Januar desselben Jahres nicht mehr unter uns, so dass ich ohne ihn und ungern ans Werk gehen musste. Der Text ist als „Die Verführung zur globalen Zockerei“ am 26. April 2008 erschienen (http://www.faz.net/print/Wirtschaft/Die-Verfuehrung-zur-globalen-Zockerei; mittlerweile womöglich gebührenpflichtig).
Als ich Frank Schirrmacher (1959-2014) Anfang 2009 telefonisch zu erklären versuchte, dass die Lösung der Finanzkrise durch Überwälzung der Lasten auf älter, weniger und einfallsloser werdende Steuerbürger eine Staatsschuldenkrise nach sich ziehen müsse, hat er mich gebeten, diese Voraussage – wiederum auf einer vollen Seiten – zu präzisieren. Das mündete in meinen Text „Die nächste Blase schwillt schon an“, der am 20. Mai 2009 im Blatt war (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kapitalismus/die-zukunft-des-kapitalismus-5-die-naechste-blase-schwillt-schon-an-1801154.html). Noch einmal überarbeitet erschien der Text auch in F. Schirrmacher, T. Strobl, Hg, Die Zukunft des Kapitalismus (Berlin: Suhrkamp, 2010). Was mir zu beiden Krisen damals wichtig war und heute nicht minder drängend erscheint, hat die FAZ in der Tat also bereits vor einem halben Jahrzehnt umfangreich präsentiert.
Nun aber etwas zu Karl Polanyi (1886-1964), der als ungarischer Jude Hitlerdeutschland entkommen konnte. Er hat das zentrale Dogma der Wirtschaftswissenschaften, also die Erklärung des Wirtschaftens, aus einem humanbiologischen Tauschtrieb durch Adam Smith (1723-1790) herausgefordert.

 

Der hatte 1776 in An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations behauptet, der Markt sei die „Folge einer Neigung in der menschlichen Natur zu tauschen und zu handeln und eine Sache gegen eine andere auszuwechseln. […] Niemand hat je erlebt, dass ein Hund mit einem anderen einen Knochen redlich und mit Bedacht gegen einen anderen Knochen getauscht hätte“.

 

Nach dem Durchforsten völkerkundlicher und historischer Studien über viele hundert Stammesgemeinschaften und Feudalsysteme setzt Polanyi 1944 in The Great Transformation dagegen: „In solchen Gemeinschaften [Stamm; Feudalismus, GH] ist die Idee des Profits tabu. Feilschen und Schachern werden verachtet. Generöses Geben wird als Tugend gefeiert. Die angebliche Neigung zu tauschen, zu handeln und eine Sache gegen eine andere auszuwechseln, tritt nicht in Erscheinung“.
Das war ein Paukenschlag gegen fast alle Ökonomen der Welt. Er hat aber nie viel bewirkt, weil Polanyi als durchaus linker Gegner von Marktsystemen politisch anrüchig war und selber keine alternative Erklärung für die Herkunft des Marktes vorlegen konnte. Wie seine Gegner aus Klassik und Neoklassik sah auch er das Geld als ein materielles Tauschgut. Die Differenz zwischen materiellem Besitz und immateriellem Eigentum, gegen dessen Belastung Geld geschaffen wird, hat er niemals auch nur erahnt.

 

Aber seine Kritik am Tauschparadigma war für mich 1982 eine entscheidende Ermutigung für die Entwicklung des Eigentumsparadigmas des Wirtschaftens. Polanyi habe ich dazu ein kleines Denkmal zu setzen versucht in Warum gibt es Märkte? (St. Gallen: Malik Management Zentrum St. Gallen [Forum Nr. 11; 2006; zuerst erschienen in W. Krieg, K. Galler, P. Stadelmann, Hg., Richtiges und gutes Management: Vom System zur Praxis. Festschrift für Fredmund Malik, Bern, Stuttgart, Wien: Haupt Verlag, 2005, S. 137-152). Als Property Theory of the Market ist meine Hommage an Polanyi seit 2009 auch auf dem Social Science Research Network (SSRN) zugänglich: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1392743.
Herzlich, Ihr Gunnar Heinsohn

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2 Kommentare

  1. Wolfgang Pfeifenberger

    Die meisten Ökonomen, mit Ausnahme der wenigen wackeren Eigentumsökonomen wie Sie Professor Heinsohn und Professor Malik leiden unter einer seltsamen Wahrnehmungsstörung. Sie können „das Ding an sich“ nicht von seiner Repräsentation unterscheiden. Sie verwechseln also die Landschaft mit der Landkarte. Eigentum aber ist eine Repräsentation. Dabei wird es etwas nicht nur präsentiert, sondern wieder(=re) präsentiert. Dazu ist im Falle des Eigentums ein soziales Langzeitgedächtnis erforderlich. Zu diesem Zweck haben die Sumerer eigens die Schrift als überindividuelle mnestische Krücke erfunden. Notare, Schuldscheine, Wechsel, Pfandbriefe Banknoten. etc. sind ja nichts Anderes als Teile eines Ökosystems, welches sich um die genannte Repräsentation herum entwickelt hat. Zum Tauschen brauche ich derlei rekapitulierenden Aufwand nicht, da ich das „Ding an sich“ in Gestalt des zu tauschenden Objekts ja stets mit mir führe. Ich habe aber beim Tauschen den Nachteil immer nur Operationen im Hier und Jetzt durchführen zu können. Das abstrakte Eigentum schafft dagegen Freiheitsgrade in Raum und Zeit, von der Besitzer nur träumen können, zum Beispiel den Vorgriff in die Zukunft alias Kredit.

    • F. Malik

      Danke für Ihren schönen Beitrag. Nur eine kleiner korrigierender Hinweis: Gunnar Heinsohns Buch „Die Sumerer gab es nicht“ (1988) ist sehr lesenswert. Was es hingegen gab, waren die Chaldäer. Wie er das beweist, ist sehr spannend und lehrreich.