Wenn der Lebenssinn verloren geht – Viktor Frankls bahnbrechendes Werk

F. Malik am Freitag, 28.08.2015 um 15:46 Uhr
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Kürzlich hat einer unserer Leser Viktor Frankl und seien Lehre vom Lebenssinn in die Diskussion gebracht. Anlass war die Frage, ob Kybernetik reicht, oder ob nicht auch Werte wichtig seien. In die Kybernetik sind Werte bereits eingebaut, und zwar solche, die eine Organisation lebensfähig machen.

Dazu gehört auch Sinn.  Die Sinnlehre von Viktor Franks ist seit 1984 essentieller Bestandteil meiner Managementlehre. Frankl hat einerseits ein reichhaltiges Werk hinterlassen. Andererseits kann es auf wenige Kernsätze auf einem Blatt zusammengefasst werden, das dann fast wie ein Lebensbegleiter in allen Lagen verwendet werden kann.

Ich habe heute einen meiner Managementletter online stellen lassen, die ich über Frankls Sinnlehre geschrieben habe.

Ein kleiner, persönlicher Hinweis: Seine Bücher und Aufsätze finde ich selbst eine Spur weniger gut als seine Vorträge auf Audio und Video, weil hier sein Engagement und auch sein Einsatz gegen falsche bzw. irreführende Psychologische Theorien, darunter auch die meisten der noch immer verbreiteten Motivationstheorien so schön zum Ausdruck kommt. Zum Beispiel seine Position gegen Sigmund Freud und Alfred Adler, und auch gegen Abraham Maslow, der übrigens Frankls Kritik nach längerer Diskussion schliesslich zugestimmt hat, was wiederum seine Grösse als Wissenschaftler und Mensch beweist.

Ich selbst beschränke mich auf Frankls Bedeutung für Management. Ob man selbst darüber hinausgehen will, ist eine persönliche Entscheidung, die ich privat empfehle.

Innerhalb meiner Managementlehre ersetzt Frankls Lehre vom Lebenssinn die früheren Motivationslehren und ist ein fester Bestandteil meiner Auffassung zur Organisationskultur. In Frankls Lehre steckt auch ein guter Teil der Ethik.

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19 Kommentare

  1. Jürgen Clasen

    Leben ist, in meinen Augen, ein Nachfolgesystem. Macht das irdische Leben einen Sinn im kosmischen Maßstab? Glaubenssache, schließlich sterben wir alle und ohne eine Fortsetzung, wäre dieses Leben sinnlos. Das Nach-folgesystem ist aber gesicherte Erkenntnis. Der übergeordnete Sinn/Auftrag des Lebens, wäre demnach, den Staffelstab weiter zu geben. Daraus leite ich ab, das für dieses System an Besten ist, Wissen zu erwerben und ein nachhaltiges Leben anzustreben. In Freiheit bedeutet es für mich, eine Berufung zu finden, die Dinge so gut zu machen wie möglich und stetig zu verbessern.

  2. Harald Pichler

    Danke, dass Sie das Thema „Viktor Frankl und Management“ hier nochmals aufgreifen. Wie Sie bereits mehrfach ausgeführt haben, wird die Bedeutung der Sinn-Frage in der Wirtschaft immer noch weitgehend unterschätzt. Das mag teilweise auch daran liegen, dass seine Literatur nicht immer leicht zu lesen ist, wie Sie ebenfalls anmerken. Es gibt aber auch schon ausgezeichnete Sekundärliteratur.
    Ihr Managementletter aus dem Jahr 2005 bringt den Zusammenhang zwischen Management und Sinn-Orientierung sehr gut auf den Punkt. Ihre Ausführungen dazu in der Neuauflage von „Führen Leisten Leben“ ebenfalls. Nun würde mich Ihre persönliche Einschätzung interessieren (und natürlich auch die von anderen Blog-Teilnehmern), warum Frankl in der Wirtschaft immer noch weitgehend unterschätzt, wenn nicht sogar ignoriert wird. Liegt es daran, dass er die persönliche Verantwortung in den Mittelpunkt stellt und damit im krassen Widerspruch zur „Spaß-im-Job“-Philosophie, zur Profit-Maximierung und anderen Management-Modeerscheinungen steht?

    • F. Malik

      Unter anderem liegt es daran, dass Frankl in den Schulen nicht oder nur selten gelehrt wird.
      Es liegt auch daran, dass fast alle Frankl-Kenner bzw. -Vertreter, die für das praktische Leben des gesunden Menschen wirklich relevanten Lehren Frankls ausklammern und gleich zu den existentiellen Tragödien gehen. Sie finden das spannender und sie können damit bei einer Minderheit viel Gutes tun. Die meisten Menschen interessieren sich dafür aber nicht, so lange sie gesund sind. Das ist die grosse Mehrheit.

    • Harald Pichler

      Darf ich mir erlauben, auf diesen Kommentar mit meiner Frage nochmals aufmerksam zu machen? Ihre persönliche Einschätzung würde mich wirklich sehr interessieren.

      • F. Malik

        Welchen Kommentar meinen Sie, Herr Pichler.
        Ich glaube, alle Ihre Postings beantwortet zu haben.

        • Harald Pichler

          Es gibt noch einen Kommentar vom 31.08. der lt. meiner Blog-Ansicht auf Freischaltung wartet. Ich kopier ihn hier nochmals ein:

          Danke, dass Sie das Thema „Viktor Frankl und Management“ hier nochmals aufgreifen. Wie Sie bereits mehrfach ausgeführt haben, wird die Bedeutung der Sinn-Frage in der Wirtschaft immer noch weitgehend unterschätzt. Das mag teilweise auch daran liegen, dass seine Literatur nicht immer leicht zu lesen ist, wie Sie ebenfalls anmerken. Es gibt aber auch schon ausgezeichnete Sekundärliteratur.
          Ihr Managementletter aus dem Jahr 2005 bringt den Zusammenhang zwischen Management und Sinn-Orientierung sehr gut auf den Punkt. Ihre Ausführungen dazu in der Neuauflage von „Führen Leisten Leben“ ebenfalls. Nun würde mich Ihre persönliche Einschätzung interessieren (und natürlich auch die von anderen Blog-Teilnehmern), warum Frankl in der Wirtschaft immer noch weitgehend unterschätzt, wenn nicht sogar ignoriert wird. Liegt es daran, dass er die persönliche Verantwortung in den Mittelpunkt stellt und damit im krassen Widerspruch zur „Spaß-im-Job“-Philosophie, zur Profit-Maximierung und anderen Management-Modeerscheinungen steht?

          • F. Malik

            Ich meine, Ihr Posting sofort beantwortet zu haben. Hier aber gerne nochmals.
            Sie Sinnfrage wird nicht unterschätzt, sondern sie ist in der Wirtschaft so gut wie unbekannt. Frankl wird dort so gut wie gar nicht gelehrt. Und insoweit es doch versucht wird, machen viele Referenten und Autoren gravierende Fehler. Man spricht dann z. B. von „Sinnstiftung“ (u. a. als Aufgabe von Führungskräften) Genau das geht ja gemäss Frankl nicht. Man kann Sinn nicht stiften oder geben oder herbeiführen. Man kann Sinn nur selbst finden. Man kann Frankls Lehre auf einer Seite zusammenfassen – und hat dann eine gute Navigationshilfe für so gut wie alle Lebenslagen.
            Seine Literatur ist nicht schwer zu lesen und seine Audio/Video-Vorträge sind sehr leicht zu verstehen, denn er verwendet eine einfache Sprache. Ich empfehle immer, seine Originalliteratur zu lesen – schon deshalb, um bei der Sekundärliteratur die gute von der schlechten unterscheiden zu können.
            Eine der Aufgaben von Management ist es, ein Unternehmen (und auch alle anderen Organsiationen) so zu gestalten und zu führe, dass möglichst viele Menschen die Möglichkeit haben, in Ihren Tätigkeiten einen Sinn zu finden. Für mich ist das einer der zentralen Werte einer guten Organisationskultur.

            • Harald Pichler

              Herzlichen Dank!

  3. MCO

    Die „Diskussion“ zwischen Maslow und Frankl kann man hier kaufen und nachlesen: http://jhp.sagepub.com/content/6/2.toc .

    Viktor Frankl veröffentliche „Self-Transcendence as a Human Phenomenon“ und Abraham Maslow antwortet mit „Comments on Dr. Frankl’s Paper“. Ich kenne leider nur den Artikel von Maslow. Darin winded sich Maslow hin und her, um am Ende doch zugeben zu müssen, dass Frankl näher dran ist.

    Ich beschäftige mich gerade mit David Keirsey und MBTI. Es ist anzunehmen, dass Maslow ein nicht so oft auftretender Typus war und daher für ihn „seine“ Pyramide stimmte. Daher gibt es wohl eher 16 (oder mehr) Bedürfnispyramiden.

    Frankls Sinnlehre erscheint mir bei weitem universeller.

    • F. Malik

      Maslows Problem war und ist das angeblich oberste Bedürfnis, nämlich die Selbstverwirklichung. Frankl kritisierte daran . E. zurecht, dass dies zum ultimativen Egoismus, eben zur Selbstzentrierung führt. Etwas übertrieben kann man sagen, zum sozialen Autismus. Frankls Lehre hingegen ist nach aussen gewandt. Sinnfindung im „Dienste von etwas anderem, einem Werk, einer Aufgabe oder auch in der Hinwendung zu einer Person .. “ So etwas sagt er, beinahe wörtlich.

  4. Markus Schmidt

    Einen guten Überblick über das umfangreiche Werk von Viktor Frankl bekommt durch das Buch „Der Schlüssel zu einem sinnvollen Leben – Die Höhenpsychologie von Viktor Frankl“ von Dr. Elisabeth Lukas. Sie ist Psychotherapeutin und Frankl’s bekannteste Nachfolgerin.

    • F. Malik

      Frau Lukas ist eine der Besten. Allerdings stehen bei ihr andere Schwerpunkte im Zentrum als bei mir, wo es eben die Situation von Führungskräften in ihren Organisationen ist.

  5. CP Seichter

    Auch in den USA wird erkannt, dass „Sinn“ ganz wesentlich für eine Motivationstheorie ist. Der sehr erfolgreiche Autor Dan Pink nennt in seinem Buch „Drive“ drei Faktoren menschlicher Motivation (Fokus auf Arbeit):
    1. Purpose = Sinn
    2. Mastery = Meisterschaft in einer Tätigkeit (Stärkenfokus!)
    3. Autonomy = selbstgesteuertes Arbeiten
    Der Knackpunkt ist sicherlich das Verständnis, wie Punkt 1 – der Sinn – erreicht werden kann. Hier ist Frankls Hinweis sehr hilfreich, dass dieser nicht vorgegeben werden kann, sondern selbst gefunden werden muss. Die Führungskraft kann dennoch den Mitarbeitern dabei helfen, durch Zuhören, Fragenstellen und in-Kontext-stellen. Die anderen beiden Punkte sind m.E. auch sehr wichtig.

    Maslow selbst hat kurz vor seinem Tod sein Konzept der Bedürfnispyramide verworfen und die von Graves entdeckte emergent-zyklische Doppelhelix menschlicher Entwicklung, besser bekannt als Spiral Dynamics, für die bessere Erklärung gehalten.

    • F. Malik

      Maslow hat zugegeben, dass Frankl recht hatte. Er hat das recht gewunden und kompliziert gemacht. Ein einziger Satz hätte ja genügt: Viktor Frankl is right ..! Maslows oberstes Motiv führt zu Egozentrismus und in schweren Fällen zu sozialem Autismus. Frankls Lehre hingegen führt zu Altruismus und zu sozialer Verantwortung. So einfach ist es.

      Dan Pink – na ja .. soll sich jeder selbst ein Bild machen. Mit Frankls Lehre hat das wenig zu tun und die von ihm zu -zigsten Male wiederholte Rechts-Links-Gehirntheorie hat noch nie gestimmt – was Roger Sperry, der die Split-Brain-Theory entwickelt hat – immer sagte. Das Gehirn ist komplexer, als es die Recht-Links-Denker zu wissen scheinen.

  6. Herbert Saurugg

    Ich habe erst jetzt den Management Letter von 2005 gelesen. Er könnte wohl auch jetzt geschrieben worden sein. Oder es zeigt sich hier einmal mehr, dass Systeme doch häufig deutlich belastbarer sind, als wir gemeinhin annehmen. Denn in den letzten 10 Jahren haben sich die Bedienungen in Unternehmen wohl nicht wirklich verbessert, ganz im Gegenteil – und es geht doch noch irgendwie.

    Auch hier gibt es wieder starke Parallelen zu „meinem“ Thema – der europäischen Stromversorgung. Sie steht noch immer, auch wenn wir im August wieder einmal knapp vorbeigeschrammt sind. In Polen mussten bis zu 8.000 Unternehmen ihren Stromverbrauch drosseln oder komplett einstellen, um Schlimmeres zu verhindern – ein Dominoeffekt hätte wohl weite Teile Europas mitgerissen. Aber darüber wurde kaum berichtet … Also tun wir weiterhin so, als wäre alles in bester Ortung, bis es eines Tages über uns hereinbrechen wird … wie die aktuelle Flüchtlingswelle, die auch niemand wirklich kommen hat sehen (wollen). Die Anzeichen waren aber schon länger da … und die Anzeichen deuten auf noch viel mehr hin :-(.

    Danke für den interessanten Management Letter!

    • F. Malik

      Ich freue mich über Ihren Kommentar zu meinem Letter.

  7. Christian Pirker

    Viktor Frankls Lehre vom Lebenssinn ist gerade jetzt, hier und heute, besonders wichtig und nützlich. Dazu kommt, dass Viktor Frankl eine ganz besondere Persönlichkeit war.