Zur Komplexität von Koalitionsverhandlungen

F. Malik am Sonntag, 22.10.2017 um 23:58 Uhr
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Um eine Regierung zu bilden,  müssen sich die 4 oder auch 3 Parteien (wie man es betrachtet) einigen. Es ist schwierig, wie alle wissen. Aber wie schwierig ist es?

Rechnen wir die kybernetische Messgrösse der Komplexität:

Zwischen 3 Parteien gibt es 6 Beziehungen und zwischen 4 gibt es 12. Wieviele Zustände kann es geben? Beziehungen können sehr verschiedene Qualitätszustände haben. Im Minimum sind es 2, nämlich gut und schlecht; oder einigungsfähig oder nicht. In Wahrheit gibt es viel mehr mögliche Zustände.

Nehmen wir die einfachste Version: 6 Beziehungen und 2 Zustände je Beziehung, nämlich gut oder schlecht. Dann ist die Zahl der möglichen Zustände 2 hoch 6. Das sind 64. Bei 4 Parteien sind es aber schon 4096, denn auch zwischen CDU und CSU gibt es Verhandlungsbedarf. Das berücksichtigt noch nicht die Anzahl der Personen, die pro Partei involviert sind.

Da muss man durch. 64 geht ja noch; aber mehr als 4000 …?

Die Komplexität explodiert aber, wenn wir die Themen mit einbeziehen. Man hat sich inzwischen auf 12 Themen geeinigt. Hat man aber auch überlegt, wieviel Komplexität man damit schafft,  und was das für die Verhandlungen bedeutet? Diese Themen sind grösstenteils eng miteinander vernetzt, sie hängen alle irgendwie miteinander zusammen. Zwischen 12 Themen gibt es rund 132 verschiedene Beziehungen. Und jede Beziehung kann im Minimum wieder 2 Zustände haben. Das gibt also 2 hoch 132 … Ist das viel oder wenig? Es ist eine Zahl mit einer 5 und 39 weiteren Ziffern.

2132 = 5 444 517 870 735 015 415 413 993 718 908 291 383 296.

Und dann müsste man 2 hoch 132 auch mit den vorherigen Zahlen der Verhandlungsteilnehmer noch kombinieren. Lassen wir das, denn schon diese Zahl ist gross genug für eine grobe Vorstellung über das Problem.

Das ist Kybernetik.

Aber vielleicht will jemand die Rechnung doch machen und auch den Begriff der Zahl bestimmen. Mehr als ein paar Milliarden sind es allemal.
Dann gehen wir anderen vielleicht inzwischen doch besser in den Verhandlungssaal zurück, um die Arbeit zu tun.

 

Antworten

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10 Kommentare

  1. Hans A. Alber

    Sehr geehrter Herr Prof. Malik,

    Danke fuer den Betrag, das klingt ja sehr ernuechternd fuer die Verhandlungspartner.
    Wenn man sich dann noch anschaut, wer da mit am Verhandlungstisch sitzt – gute Nacht Deutschland. Allein schon das Bild der gruenen und gelben Politiker auf dem Balkon, ich glaube nicht das einer/eine von denen ueberhaupt weiss, was Kybernetik ist. Die haben doch fast alle nur Laberfaecher studiert und dann oft noch nicht mal einen Abschluss.

    Wenn man sich die deutsche Politiker ansieht, wird man neidisch auf Oesterreich und die Schweiz. Aber jedes Land hat die Politiker, die es verdient.

    Prof. Heinsohn hat das, was wir in den naechsten 4-8 Jahren in Deutschland wohl erleben werden, bereits in seinem Beitrag „FINIS GERMANIAE“ aufgezeigt. Bei dem Personal wuerde uns da auch Kybernetik nicht helfen.

    Eigentlich waere „gesunder Menschenverstand“ ausreichend, aber den haben deutsche Politikern ja nicht mehr („Common sense is not so common“).

    So geht es froehlich dem Untergang entgegen, die Namen der Akteure sollten man sich gut merken – hinterher will es ja keiner gewesen sein.

    Rette sich, wer kann!

    • F. Malik

      Ihre Diagnose ist ernüchternd und viele werden Ihnen jedenfalls teilweise zustimmen. Die Kybernetik hilft jedoch auf jeden Fall – jenen, die sie verstehen. Und einen guten Teil davon kann man relativ schnell verstehen. Daher bin ich optimistisch, denn sie wird gebraucht, genauso wie die Ökologie oder wie geschichtlich schon früh die Rechtskunde nötig war. Heute wird die Kybernetik die Gesellschaftsordung ähnlich bestimmen: Durch Selbstorganisation, Selbstregulierung und Anpassungsintelligenz.

  2. Tim Kreisel

    Hallo Herr Malik,

    ich finde ihre Anwendung der Kybernetik recht interessant. Es zeigt doch eindeutig, dass die Situation einen solchen Kompelxitätsgrad besitzt, dass nur eine Auflösung der großen Staatstrukturen Sinn ergibt. Ich denke da vor allem an Murray Rothbard und die Österreichise Schule. Ihre Meinung würde mich dazu brennend interessieren.

    Liebe Grüße aus dem Ruhrgebiet

    • F. Malik

      Grosse Staatsstrukturen wird es weiterhin geben können, insoweit sie statt Bürokratie eben die Kybernetik, und ihre Lehre von der Selbstregulierung anwenden. Allerdings werden ihre Teilsysteme neu zusammenspielen. Ihre Hinweise sind sehr wertvoll.

  3. Jürgen Clasen

    Eine Kanzlerin die nach einer dramatischen Wahlniederlage sagt, sie wisse nicht, was wir (sie) falsch gemacht
    hätte(n), ist doch irgendwo auf einem anderen Stern unterwegs. Wir haben Komplexität in großen Ziffern. Jetzt
    haben wir unmöglichen Personen noch dazu, denen ich unterstelle, das sie ganz einfach ein Rad ab haben.
    Genau da kommt noch das irrationale Denken und Verhalten dazu. Ein. Beispiel: Jeder Flüchtling, Asylant kostet
    unseren Staat nach heutiger Kalkulation 450 000 Euro bis zu seinem Lebensende. Vor uns liegt Industrie 4.0
    und die Digitalisierung aller verwaltungs- und Lebensbereiche, wahrscheinlich mit einem sehr ernsten Minimum
    an Beschäftigung. Wieviele Migranten dieser Art können oder dürfen wir aufnehmen? Null ! Wie halten wir es mit den
    Steuern? Natürlich nicht senken, sondern in einen Zukunftsfond gründen, für magere Jahre, wo sich ein Rentner-buckel unabwendbar auf uns zukommt. Es ist so leicht…..

  4. Stefan Ludwig

    Sehr geehrter Herr Professor Malik,

    sie haben schon des öfteren geschrieben, dass die vorhandenen Strukturen mit der heute vorhandenen Komplexität nicht mehr zurecht kommen. Dem stimme ich zu. Mir stellt sich da die Frage wie überzeugt man jetzt die Parteiführungen davon das mit klassischen Verhandlungen nicht viel herauskommt, mit Methoden wie Syntegration jedoch um so mehr. Ich frage jetzt mal ganz direkt: Trauen Sie der Methode Sensitivitätsmodell zu, herauszufinden, an welchen Stellschrauben man drehen muss um diese Veränderung hin zur Nutzung von kybernetischen Methoden in der Politik einzuführen? Oder ist das eine Überschätzung der Möglichkeiten?

    Ich bin mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, da kann eine Partei alleine regieren oder eine x-beliebige Koalition. Solange Kybernetik nicht konsequent angewendet wird wird immer nur verschlimmbessernde Flickschusterei herauskommen.
    Wenn man kybernetische Methoden anwenden würde würde die Problemlösung durchstarten wie eine Rakete.

    • F. Malik

      Lieber Herr Ludwig, ja, das traue ich der Syntegrationsmethode und der darin zur Anwendung kommenden Sensitivitätsmodellierung zu. Dies haben beide schon oft genug bewiesen. Das Sensi-Modell machen wir übrigens bei fast jeder Syntegration. Es ist geradezu ideal, die dort stattfindende, so enorm intensive Kommunikation dafür zu nutzen. Alle anderen, sonst üblichen Vorgehensweisen bleiben im Vergleich dazu weit zurück. Ihre Meinungen zur Anwendung der Kybernetik teile ich natürlich ganz. Derzeit wenden wir die gesamte Syntegrationsmethodik mit allen hinzugekommenen Innovationen für den CyberSecurity Bereich eines grossen Unternehmens an, um dort gemeinsam ein System zur Abwehr der Cyberangriffe zu installieren.

  5. Bert Raeymaekers

    Hallo H. Prof. Malik, eine interessante Betrachtung! Aber das Ganze ist auch nur ein Teil eines politischen Parteiensystems, mit Methoden und Verhaltensweisen, die inzwischen auch schon ca. 130 Jahre alt sind. Die systemische Evolution über diese Zeit hinweg reichte nicht, um Schritt zu halten mit Dynamik+Komplexität. Dennoch ist die Notwendigkeit zur Lösung der globalen Standardprobleme dramatisch, sogar bedrohlich gestiegen. All das will man in Koalitionsgesprächen innerhalb von vier Wochen mal schnell lösen? Es ist dringend notwendig, dass in Gymnasien und Hochschulen methodisch auf Komplexität eingegangen wird, so dass künftige Generationen wenigstens ein Bauchgefühl für mögliche Lösungsstrategien haben. Insofern freue ich mich auf Ihre mahnende Stellungnahmen und auf die Existenz dieser Website!

    • F. Malik

      Besten Dank für Ihren Beitrag. Meine Methoden haben es an sich, dass sie „aus dem Stand heraus“ angewandt werden können und keine spezielle Vorbereitung benötigen.
      Es wäre sehr wünschenswert, wenn bereits in den Schulen das nötige Wissen darüber vermittelt wurde, aber bis das wirkt, dauert es Generationen. Daher unser Prinzip: Sofortige Anwendbarkeit.

  6. A.I.

    Da ein menschliches Gehirn nicht so viele verschiedene Zustände verfolgen kann, tut es das auch nicht.