Verantwortung

F. Malik am Sonntag, 24.12.2017 um 13:05 Uhr
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Es gibt kaum ein Management-Symposium, an dem nicht auch über die Verantwortung des Managements gesprochen würde, oft mit grossen und bedeutungsschweren Worten und häufig auch etwas zu pathetisch. Mit obersten Führungspositionen ist eine grosse Machtfülle verbunden. Ihr Gegenpol ist die Verantwortung. In Organisationen sind Macht, Befugnis und Zuständigkeit nötig, denn man kann kaum erwarten, dass Unternehmen ihren Zweck erfüllen und Manager Resultate erzielen können, wenn sie nicht mit dafür geeigneten Mitteln ausgestattet sind. Dazu gehört auch ein grosses Mass an Befugnissen.

Im üblichen Sprachgebrauch ist das Wort „Macht“ aber meistens negativ besetzt. Daher ist es oft heikel, von der „Macht der Manager“ oder der „Macht der Grosskonzerne“ zu sprechen. Bei Führungskräften bietet sich eher das Ausweichwort „Befugnis“ an, während Grosskonzerne tatsächlich Macht besitzen. Wo liegt der Unterschied?

Laut Definition ist Befugnis die formale Erlaubnis oder Ermächtigung, dass man etwas tun darf. Macht im engeren Sinne hat zwei wichtige Bedeutungen: Erstens, die Gewalt, die jemand aufgrund seiner Position oder seines Amtes hat, so dass er über andere bestimmen kann; und zweitens die Möglichkeit oder Fähigkeit, dass jemand etwas bewirken oder beeinflussen kann. Eines ist beiden jedoch gemeinsam: Sowohl Macht als auch Befugnisse verlangen nach Verantwortung, da beide fast immer auch missbraucht werden können – oder dies zumeist unterstellt oder befürchtet wird. Wofür sind Führungskräfte verantwortlich? Wofür sollen sie verantwortlich sein? Ich schlage vier Lösungen vor:

1. Für sich selbst:
Führungskräfte sind erstens verantwortlich für sich selbst, ihre eigene Leistungsfähigkeit und Leistung – dafür, dass man seine Funktion mit bestmöglicher Professionalität erfüllt. Man muss verlangen, dass sie das erforderliche Sach- und Managementwissen haben, weil sonst ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist, und dass sie Sein von Schein, Inhalt von Verpackung, Richtiges von Falschem und Funktionierendes von Moden unterscheiden.

2. Für andere:
Sie sind zweitens verantwortlich für andere, für ihre Mitarbeitenden und deren Leistungsfähigkeit und Leistung. Sie sind dafür verantwortlich, dass jede/r seine oder ihre Leistung erbringen kann, indem er oder sie seine Stärken nutzt.

3. Für Ihre Instititution:
Drittens sind Manager verantwortlich für ihre Institution/Organisation (egal welcher Art), und für deren Leistungsfähigkeit und Leistung. Als Führungskraft in einer Schlüsselposition muss man seine Entscheidungen – gerade deshalb, weil man weiss, dass letztlich auch Kompromisse nötig sein werden – nach der Frage ausrichten: Was wäre richtig, in dieser Situation, für dieses Unternehmen? Wenn eine Führungskraft das nicht kann, ist sie noch nicht professionell genug und wird unter Umständen zum Risiko für ihre Institution.

4. Für das Bild in der Öffentlichkeit:
Als Führungskraft hat man zudem die Verantwortung, jene Funktion, die wir Management oder Führung nennen, in der Öffentlichkeit zu repräsentieren – jede und jeder im Einflussbereich ihrer/seiner Position und Aufgaben. Diese Verantwortung erfüllt man nicht mit Sonntagsreden und auch nicht mit Profilierungsritualen in der Arena der Talkshows. Man tut es durch seine Ergebnisse und vor allem sein persönliches Beispiel, weil letztlich nur dieses die Menschen überzeugt.

Eine besondere Verantwortung haben Vertreter und Vertreterinnen von grossen Unternehmen, weil diese in der Mediengesellschaft für alle sichtbar sind. Das Bild der Menschen über die Wirtschaft und über Management orientiert sich, zu Recht oder zu Unrecht, an den Grossunternehmen, weil sie öffentlich sind. Sie werden als stellvertretend für die ganze Wirtschaft wahrgenommen.

Führungskräfte sind dafür verantwortlich, dass ihr Handeln keine Feindseligkeit gegenüber der Wirtschaft verursacht, und dass es weder zukünftige Belastungen noch Einschränkungen für eine funktionierende Wirtschaft provoziert. Ich verwende nicht den Begriff „freie“ Wirtschaft, denn dieser ist sehr missverständlich und belastet. Ich sage „funktionierende“ Wirtschaft. Führungskräfte sind auch dafür verantwortlich, dass in ihrem Handeln sichtbar wird, dass gesunde Unternehmen eine funktionierende Wirtschaft und diese wiederum eine funktionierende Gesellschaft brauchen – und umgekehrt eine funktionierende Gesellschaft eine funktionierende Wirtschaft braucht und diese wiederum funktionierende Unternehmen.

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4 Kommentare

  1. A.I.

    Ich lese diese Tage ein Buch eines ehemaligen Elitesoldaten der Navy Seals, „Extreme Ownership“.

    Dort beschreibt er Managementprinzipien und stellt das Prinzip der „extreme ownership“, also der vollumfänglichen Verantwortung für alles, was im Team passiert, an die erste Stelle.

    „There are no bad teams, only bad leaders“ ist ein daraus abgeleitetes Prinzip. Im deutschen Sprachgebrauch existiert das Sprichwort „Der Fisch stinkt vom Kopfe her“, das dieses Konzept ebenfalls reflektiert.

    Was halten Sie von diesen Gedanken? Es macht natürlich Unbehagen, wenn man dafür verantwortlich sein soll, dass jemand ohne davon zu wissen Unfug oder Schlamperei verzapft. Und überraschend für mich war es zu lesen, dass selbst in Eliteeinheiten nicht mehr einfach so etwas befohlen werden kann, sondern die Untergebenen mitgenommen und überzeugt werden müssen. Der „Kadavergehorsam“ scheint im Westen vielerorts ausgedient zu haben.

    • F. Malik

      Ich kenne das Buch noch nicht, daher will ich mich zurückhalten. Von Ihrer Beschreibung her bin ich skeptisch. Denn wenn ein Vorgesetzter für alles gerade stehen müsste, und nicht einmal die Möglichkeit hätte, krasse Fehler seiner Leute zu ahnden, wäre das eine offene Einladung an viele Leute, das einfach auszunutzen. Schon den Begriff „Ownership“ finde ich unpassend. Dieser wird inzwischen weithin unsinnig angewandt: Ownership of problems, owndership of tasks, in dem
      Buch auch ownership of responsibility. Ich finde das unsinnig. Der „Kadavergehorsam“ hat schon länger ausgedient, wie mir scheint, was jedoch nicht bedeutet, dass er nicht wieder zurückkehren könnte.

      • A.I.

        Sehr geehrter Prof. Malik, da haben Sie natürlich Recht.

        Es steht weiter hinten im Buch, dass der Vorgesetzte dafür verantwortlich ist, entweder dem Teammitglied zu helfen bzw. helfen zu lassen, und wenn das nichts fruchtet, das Teammitglied zu entfernen.

        Darüberhinaus setzt er gemäß den Thesen des Buches Minimalstandards, indem er gewisse Dinge nicht durchgehen lässt. Macht ein Mitarbeiter krasse Fehler, die nicht dem Teamstandard entsprechen, so muss er umgehend aus dem Team entfernt (u.U. auch ganz entlassen) werden.

        „Ownership“ ist nicht im rechtlich-juristischen Sinne als Eigentum zu verstehen, sondern kommt vermutlich aus der englischen Redewendung „to own up to a mistake“.

        Wenn man sich überlegt, dass jene Seal-Teams extrem wirksame Organisationen sind, die sehr gut funktionieren und ihren Zweck oft genug erfüllen, dann meine ich, dass das gute Funktionieren zumindest eine Betrachtung der Thesen rechtfertigt, selbst wenn man am Ende zum Schluss kommt, dass die Thesen außerhalb eines militärischen Kontextes nicht funktionieren.

        Auch im zivilen Bereich kann es um Menschenleben gehen: Flugsicherung, Notfallchirurgie, …

        • F. Malik

          Lieber Herr Irmak, solche Teams brauchen wir, und wir haben sie auch, wie Sie mit Ihren Beispielen zeigen und wie ich sie oft beschrieben habe. Daher ist meine Beobachtung auch, dass man in der Praxis sehr leichtfertig von Teams spricht, die in Wahrheit lediglich Gruppen sind. Mein bevorzugter Begriff ist „High Performance Teams“. Die besten Beispiele für die zivile Praxis kommen nicht aus dem militärischen Bereich, sondern aus dem Sport, der Medizin, Feuerwehr, Flugverkehr und dergleichen – Sie erwähnen solche Beispiele.
          Nun ist dennoch der Begriff „Ownership“ im deutschen Sprachgebrauch höchst unglücklich. Er hat sich eben eingeschlichen durch die Corporate Language English Und durch weitgehend leichtfertige Verwendung von englischen Begriffen durch Leute, die zwar meistens sehr gut Englisch können, aber keine Rücksicht auf den lokalen Sprachgebrauch nehmen. Das sind weniger Engländer und Amerikaner, als weit mehr Deutsche, die in gewisser Weise Angeberei betreiben oder auch Gedankenlosigkeit. In der üblichen Ausbildung in Englisch kommt der Begriff weitestgehend nur in Zusammenhang mit Eigentum vor. Lästig ist es auch, weil wir doch so gute Begriffe im Deutschen haben, wie Zuständigkeit und Verantwortung.