Finanzmärkte drehen nach unten

F. Malik am Samstag, 29.01.2011 um 22:23 Uhr
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Finanzmärkte drehen nach unten

Die Aktienbörsen haben am Freitag nach unten gedreht und der Dollar nach oben. Gold und Silber sind in einer kurzen Erholung, was aber meine Einschätzung, dass sie weiter fallen werden, nichts ändert. Die US-Wirtschaftszahlen sind schlecht.

Dauerhafte Konsumgüter fallen und auch die Aufträge für Investitionsgüter gehen zurück. Immer mehr Immobilien sind unverkäuflich. Die Neubautätigkeit ist miserabel. Ausserdem zeigt sich die Organisations­lähmung immer deutlicher. Hier liegt einer der Hauptgründe für die schlechten Zukunftsaussichten.

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14 Kommentare

  1. Edgar Biehler

    Sehr geehrter Herr Malik,
    Die Auftragsbücher der deutschen Unternehmen sind angeblich voll und die Bevölkerung konsumiert weiterhin auf hohem Niveau. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, dass das einst wirtschaftlich einflussreichste Land der Welt, die USA, nun nur noch eine kleine Rolle für die Weltwirtschaft spielt. Auf der anderen Seite wächst China weiter und zieht im Schlepptau langsam andere Länder, wie beispielsweise Indien oder Brasilien, mit sich empor. Das Potential der Märkte dieser Länder ist noch lange nicht entfaltet.
    Ist die Überschuldung der USA und deren Privathaushalte tatsächlich eine so große Bedrohung oder relativiert sich die Bedeutung dieser Probleme eventuell dadurch, dass die genannten Länder die ehemals starke wirtschaftliche Position der USA einnehmen oder zukünftig einnehmen werden? Wirken diese Entwicklungen nicht einer Deflation entgegen oder verhindern sie sogar?

    Mit freundlichen Grüßen
    E. Biehler

    • Fredmund Malik

      Es wird eine lange Übergangsphase geben, bis die von Ihnen genannten Länder ihre Potenziale voll nützen können. Das ist ein Teil dessen, was ich in meinen Büchern „Die Grosse Transformation 21“ von der Alten in die Neue Welt nenne. Auf dem Weg dorthin kann es zu einer sozialen Kernschmelze führen, aber ebenso zu einem neuen Wirtschaftswunder. Was passieren wird, hängt weitgehend davon ab, dass man die alten Methoden und Denkweisen rasch aufgibt und neue Lösungsinstrumente einsetzt.

  2. Dr. Alexander Jarczyk

    Sehr geehrter Herr Malik,

    Mir kommt es so vor, als wenn Deflation genau so eintreten müsste wie Sie das prognostizieren, aber es wird einiges geschrieben, dass durch die Möglichkeiten des Predatory High Frequency Tradings die kreative Bereinigung verhindert wird. Wie sehen Sie das?

    Alexander Jarczyk

    • Fredmund Malik

      Das High Frequency Trading verstärkt das Deflationspotential gleich zweifach: Erstens entstehen damit neue Schulden, denn es wird auch hier auf Margins getradet. Zweitens werden durch diese Art von Trading die Kursbewegungen verstärkt und nicht etwa gedämpft. Aktien- und Rohstoffpreise werden daher noch stärker sinken als ohne ein solches Trading.

      • Matthias Zipperer

        Sehr geehrter Herr Malik,
        ich verfolge ihre Ausfuehrungen mit grossem Interesse. Vor allem ihre Aussagen zum Thema Deflation erscheinen mir schluessig.
        Aufgrund des Hoehenflugs der Aktienmaerkte und auch der wirtschaftlichen Lage in meiner Branche, beginne ich zu zweifeln, ob sie nicht einen wesentlichen Faktor unterschaetzt haben. Dieser wesentliche Faktor sind die Zentralbanken und insbesondere die FED.
        Gestern hat die FED China als groesster Glaeuber der USA ueberholt und ich glaube, dass sich dieser Trend bzw. dieses Verhalten fortsetzt.
        Ich sehe bei diesen Organisationen (insbesondere der FED) nicht den von ihnen beschriebenen Handlungsdruck im Falle sinkender Assetpreise. Eine hohe Staatsverschuldung der USA koennte ebenfalls durch einen Schuldenschnitt oder einen Schuldenerlass reduziert werden. Insofern koennen sich alle Beteiligten der laestigen Verpflichtungen entledigen. Durch solche Massnahmen kann man sich wahrscheinlich noch einige Zeit ueber die Runden retten, ohne in groessere Probleme durch Inflation oder Deflation zu geraten. Wie sehen sie das?

  3. Erkan Isik

    Sehr geehrter Herr Malik,

    wir hatten letzte Woche Freitag zwar einen kleinen Rücksetzter, was aber eher einer Panikreaktion der Anleger zuzuordnen ist, wegen den Tumulten in Aegypten. Nichtsdestotrotz sieht man doch, dass die amerikanische Zentralbank alles versucht die Börsen nicht crashen zu lassen. Letztes Jahr im August 2010 wäre das der Fall gewesen, wenn Herr Ben Bernanke keine QE II Ankündigung gemacht hätte. Denn Mr. Ben Bernanke hat nichts anderes gemacht als durch mehr Schulden, was das Lebenselixiert des Kapitalismus ist, die Börsen zu befeuern. Der Dow Jones hat seitdem Zeitpunkt nicht eine grosse Korrektur gesehen. Daher meine Frage, warum sollten die Indizes fallen, solange Mr. Ben Bernanke immer wieder QE xx Massnahmen durchführen könnte? Er hat ja einmal bildlich siniert davon gesprochen, dass er sogar Kommunalanleihen etc… kaufen würde. Darüber hinaus wäre er auch bereit, die Schulden der privaten Haushalte notfalls in die FED-Bilanz zu übernehmen. Solange Mr. Ben Bernanke die Schuldenlast immer weiter prolongieren kann, können die Asset-Preise weitersteigen. D.h. wir könnten doch den Fall einer Crack-Up Boom Phase an den Börsen erleben, wie es einst der Ökonom Ludwig von Mises beschrieben hatte. Ich gebe Ihnen vollkommen recht, dass die quasi 0-Zins Politik der FED der realen Wirtschaft nichts bringt und eher eine deflationäre Entwicklung zu beobachten ist, weil Kredite in die reale Wirtschaft nicht vergeben werden und somit eine reale Geldschöpfung nicht stattfindet. Es ist aber den Banken auch nicht zu verübeln, weil die private Haushalte überschuldet sind. Dennoch meine letzte Frage: Werden die USA den gleichen Weg gehen wie Japan, die seit 20 Jahre chronisch an einer Deflation leidet oder wird die USA als Wirtschaftsmacht einen Sonderweg gehen, der einmalig in der Geschichte ist?

    Mit freundlichen Grüssen,
    Erkan Isik

    • Fredmund Malik

      Die FED wird sicher alles daransetzen, die Börsen nicht crashen zu lassen. Ich rechne nicht damit, dass ihr das gelingt.
      Es braucht auch keinen Crash dafür, dass die Börsen jahrelang sinken. Sie erwähnen Japan, wo es keinen Crash gab, wohl aber seit 1990 einen Bearmarket. Seither hat Japan schon fast 20 Wirtschaftsankurbelungsprogramme aufgelegt, die nichts an der Deflation änderten. Dass es dort nicht noch schlimmer gekommen ist, führe ich darauf zurück, dass die Wirtschaften ausserhalb Japans boomten. Die USA werden daher nicht den gleichen Weg gehen, wie Japan, sondern haben schlimmere Zeiten vor sich.

  4. Peter Unterluggauer

    Ich verfolge die Wirtschaftskrisen seit den 80er Jahren. Immer sind ähnliche Muster zu beobachten:

    Die Krisen werden wirtschaftlich und politisch von langer Hand vorbereitet. Ca. 5 – 10 Jahre.
    Während die meisten versuchen eine Krise zu verarbeiten, wird die nächste Krise bereits systematisch vorbereitet (Lobbying, Gesetzgebung, Umstrukturierung der Wirtschaft, Aufbau neuer Wirtschaftssektoren, Medien). Dies lässt sich auch für die aktuelle Krise rückverfolgen.

    Es gibt immer dieselben Verlierer und Gewinner. Die Bevölkerungen der Welt müssen die großen Risiken und Lasten tragen. Mittlerweile wurden selbst die USA, GB und Europa mehrfach zur Kasse gebeten. Die Realwirtschaft in den USA und GB wurde so weitestgehend ruiniert. Mit dem Verlust wichtiger Deutscher Konzerne hat auch Deutschland seine Widerstandskraft verloren.

    Die Gewinner sind die größten westlichen Finanzinvestoren, die vor und in der Krise jeweils enorme Gewinne einstreifen. Die Macht dies durchzusetzen ist die Stärke der amerikanischen Finanzindustrie und der Grund für die gewaltigen Profite.

    Den Völkern und Staaten wurden enorme Lasten auferlegt. Diese Lasten wurden trotzdem getragen, ohne dass das die Weltwirtschaft und das amerikanische Finanzsystem zusammengebrochen ist. Auch das ist ein robustes Wirtschaftssystem. Aus Sicht der Finanzinvestoren ist dies ein hoch profitables und stabiles Geschäftsmodell.

    Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahrzehnten hochgeschaukelt. Somit wurden die letzten Jahrzehnte und das 21.Jahrhundert zum neuen Raubritterzeitalter. Die Räuberhorden der Finanzindustrie plündern das ungeschützte Land und werden dies wiederholen. Die Politik in den USA, Europa, Japan, etc. ist machtlos, bzw. in dieses System integriert, und kann die Bevölkerung und Wirtschaft nicht schützen. Die derzeitigen Maßnahmen sind vollkommen ungeeignet um dies einzudämmen. Wir müssen daher mit weiteren Krisen rechnen und wir können die nächste Plünderungsaktion fix einkalkulieren.

    Als einzige Ausnahme sehe ich China. Ich habe bereits vor zehn Jahren prognostiziert, dass China 2010 mit den USA wirtschaftlich gleichziehen wird. Damals hat die renommierte Wirtschaftspresse immer von 2050 gesprochen. Grundlage für meine Schätzung waren nicht die BIP-Zahlen sondern die Waren-Produktionsmengen.
    Chinas wirtschaftliche Stärke und Kampf um die Führungsposition sehe ich als wichtigen Faktor in der gegenwärtigen Krise. China dürfte alles versuchen um den Zusammenbruch der USA und EU hinauszuzögern, um die eigene Machtposition und Wirtschaftskraft im In- und Ausland möglichst zu stärken. Je stärker China ist, desto leichter kann es eine westliche Krise verdauen, davon profitieren und umso stärker seine Führung ausbauen. Dies trifft sich mit den westlichen Interessen.

    Daher sehe ich die Chance, dass der große wirtschaftliche Zusammenbruch hinausgezögert wird und in den nächsten beiden Jahren nicht stattfinden wird.

    • Fredmund Malik

      Ich glaube auch, dass es China und ein paar anderen asiatischen Staaten in den kommenden Jahren eher besser gehen wird, als der westlichen Welt, u. a. auch deswegen, weil China steuerbar ist, während die westlichen Demokratien an die Grenzen ihrer Manageability stossen. China wird uns im eigenen Interesse zu helfen versuchen, ich fürchte aber, dass das mit den herkömmlichen Methoden nicht gelingen wird. Dafür muss man neue Wege gehen.

  5. Reto Fäs

    Vielleicht werden wir in naher Zukunft eine Inflation bei Nahrungsmitteln haben, während gleichzeitig bei Industriegütern oder Aktien die Preise sinken. Bei Staatsanleihen könnte sich durch den Wertzerfall eine noch massivere deflationäre Situation ergeben. Wäre das unter dem Strich eine Inflation oder Deflation? An was würde sich die Geldmengenpolitik orientieren?

    • Fredmund Malik

      Es wird über die ganze Breite aller Sachgüter eine Deflation geben. Die Rohstoffpreise haben derzeit wenig mit realen Marktverhältnissen zu tun. Sie steigen derzeit noch weil Hedgefunds in die Rohstoffe gegangen sind. Eine Zeitlang können daher die Rohstoffe noch weiter steigen, danach werden auch hier die Preise sinken. Beispielsweise halte ich Rohölpreise von 20 $ und darunter für möglich und wahrscheinlich – über den Zeitraum der nächsten Jahre. Aber es kann auch sehr schnell gehen.

      • Reto Fäs

        Wenn
        a) die Notenbanken weiterhin Geld zum Nulltarif geben
        b) sie dies in Zukunft allen geben – dem Staat, den Banken und damit mehr oder weniger direkt auch an Unternehmungen und Private
        c) sie dies ohne Rücksicht auf die Bonität machen

        …dann sehe ich zwei Folgen:
        1. Der Zinssatz bleibt tief.
        2. Das Geld wird genommen und auch verwendet, auch für sinnloses wie Spekulation oder Konsum über die eigenen Verhältnisse hinaus.

        Wenn das stimmt, dann muss doch das Geld irgendwo hin. Und dort wird es Preissteigerungen respektive Inflation erzeugen. Vielleicht nicht auf breiter Front, aber doch zumindest massive Blasen?

        • Fredmund Malik

          Die Notenbanken stellen nicht Geld zur Verfügung, sondern Kredit. In die Wirtschaft kommt dieser aber nur, wenn a) die Banken Kredit geben und b) jemand Kredit will. Beides ist z.B. in den USA nicht mehr der Fall, denn die Geld- und Kreditmenge M3 stagniert trotz der getroffenen Q-Massnahmen. Die Zinsen sind nicht generell tief, sondern die effektiven Zinsen sind je nach Schuldner ganz verschieden. Die Zinsen werden auch nicht von den Notenbanken gemacht, sondern vom Markt. Die Notenbanken sind „follower“, nicht „leader“.

          • Reto Fäs

            Follower, nicht leader: Das war der „Knopf“, den ich hatte beim Nachvollziehen der Logik. Vielen Dank für Ihre Antwort, Herr Malik.